KNISTER*KRITIK: The Chosen One – Theater am Werk ** politisch, schnelles Tempo, englisch.

Blog Header Collage aus Pressefotos von The Chosen One

Was ist eigentlich Sozialismus? Wer war Amelie Bauer? Warum brauchen wir persönliche Details über das Leben von Politiker*Innen, um ihre Ansichten zu verstehen? Das Theater am Werk eröffnet die neue Saison mit einem englischen Stück, Tempo und einem bombastic side-eye auf die Politik – Manon & Magdalena waren vor Ort.

Am Arsch der Welt, aber worth it.“ – Manon

Hard Facts: 2h15min, in englischer Sprache, keine Untertitel

Worum geht‘s?
Die Politikerin und Begründerin der sozialistischen (nicht sozialdemokratischen!) Partei Amelie Bauer verschwindet kurz nach dem gewonnenen Wahlkampf. Sie ist nicht gestorben, nicht geflüchtet, sondern einfach weg, wie vom Erdboden verschluckt. Nach ihrem Verschwinden zerfällt die Partei und im Rahmen einer TV-Doku soll ihr Leben und das sozialistische Denken aufgearbeitet werden.
– von „toxic dreams“

“Geht es um ihr Verschwinden oder um die Partei? Who knows.“

Die politischen Inhalte regen sehr zum Denken an – einerseits weil es auf Englisch, andererseits weil es sehr schnell und entsprechend diskurs-theoretisch war.“ – Magdalena

Egal von wo aus Wien man anreist, man braucht Geduld. Der Hauptstandort des Theater am Werk (ehemaliges „Werk X“) befindet sich bei U6 Tscherttegasse + 10 Minuten Fußweg durch die dortige Wohnsiedlung „Kabelwerk“. Der kleinere Saal im ersten Stock ist genau das, was auch in Filmen immer gezeigt wird, wenn es um „off“-Theater geht: Ein schwarzer, eckiger Raum, fünf Sesselreihen, direkte Nähe zur „Bühne“. 

Als jemand, der mit Sprechtheater wenig anfangen kann, fand ich das richtig geil. Würde ich definitiv weiterempfehlen!“ – Manon

Das ganze Stück ist aus Sicht des Regisseurs aufgebaut. Er sitzt auf einem roten Sessel mit eigenem Mikrofon mitten im Publikum, stellt Fragen, unterbricht Szenen und gibt den Schauspieler*Innen Anweisungen („I‘ve got too many scenes with talking heads.“). Die Zwischenrufe der Regie lockern das Stück, das sonst vielleicht zu ernst, zu philosophisch wäre, ein wenig auf und geben Zuschauer*Innen Zeit, tatsächlich über das gesprochene Nachzudenken.

Teilweise wurde es mir zu hoch, einfach weil ich keine Ahnung von Politik oder politischen Systemen habe. Da hat das Auflockern durch Lieder & den Regisseur super geholfen, um wieder hineinzufinden.“ – Manon

The Chosen One © Sandra Fockenberger

Von philosophischen Diskussionen über Kommunismus, Demokratie und Sozialismus bis hin zu Kritik an aktuellen linken und rechten Parteien – unterbrochen wird der schnelle Rhythmus von gesprochenen Texten von Liedern, immer passend zu dem jeweiligen Thema. 

Die musikalischen Einlagen sind fast zu wenig intensiv im Vergleich zum gesprochenen Text. Seitenhiebe auf Theaterbetriebe, die Kultur, die Linke Politik, die eigene Aufführung – es gibt einige witzige Momente, die sehr gut unterhalten.“ – Magdalena

Das Bühnenbild: Klein, Basic aber geil.

Ein Screen im Hintergrund, der das Mitlesen bei Liedern oder (geplanten) Zwischenrufen des Regisseurs erleichtert. Fünf beleuchtete runde Plattformen mit jeweils einem roten Drehsessel und einer Kiste mit Requisiten darauf, wie bei einer Game-Show. Die fünf Darsteller*Innen in zusammenpassenden Outfits (Dunkelblaue Jean, weißes Hemd mit Ballonärmel und karierten Mustern an Ärmel, Kragen oder Knopfleiste, rote Schuhe). Ein roter Regiesessel mit Mikrofon im Publikum – denn der Regisseur ist „einer von uns“. 

Anat Stainberg, Barca Baxant, Susanne Gschwendtner, Markus Zeit, Florian Tröbinger / The Chosen One © Sandra Fockenberger

Spezifisches (Eindrücke von der Premiere am 07.10.2024):

Vielleicht lag es an der Nervosität oder einfach an der Premiere, gerade am Anfang gab es ein paar Text-Unsicherheiten, die aber gut kaschiert wurden. Nach den ersten zwei Liedern sind die Schauspieler*Innen in ihren Flow gekommen und bis auf ein paar Mikro-Aussetzer war es, als würde man einen Film schauen. Die Aufführung ist zwar lang, aber es ist die richtige Entscheidung gewesen, bei diesem Stück keine Pause einzuplanen. Man wäre sonst nicht mehr in die Thematik reingekommen – außerdem hat das Tempo es sehr angenehm gemacht, die Spielfilm-Länge von 2:15h durchzuhalten (eine bequeme Hose wird allerdings empfohlen). 

Schau hier her → Look here → Buraya bak → Pogledaj ovde → Nézd ide → Guarda qui → انظر هنا → Podívej se sem → Spójrz tutaj → Посмотри сюда → Виж тук → Nhìn đây →

knisternde Beiträge:

"Kultur ist nachhaltig" vegan" lit oida" glutenfrei" neurodivergent" neutral" kulturell" nonbinär" geil" Hafermilch?" chaotisch" richtig" bunt" verständnisvoll" multi" direkt" ...FÜR ALLE"