Österreichischer Kabarettpreis 2024 ** Frauenrekord zum Jubiläum

Seit 25 Jahren werden die Trophäen verliehen – Abräumerin des Abends war diesmal Sonja Pikart.

Sie ist eine Frau. Sie ist Deutsche. Und trotzdem hat Sonja Pikart beim 25-jährigen Jubiläum des Österreichischen Kabarettpreises den Hauptpreis für ihr aktuelles Soloprogramm „Halb Mensch“ gewonnen, der ihr am Dienstagabend im Globe Wien verliehen wurde. 

Damit steht sie nun in der Liste an der Spitze einer Reihe Geehrter, die – mit Andrea Händler im Jahr 2000 als einziger Ausnahme – fast ausschließlich männlich besetzt ist, von Globe-Hausherr Michael Niavarani über „Experte für eh alles“ Günther Paal bis Schnellsprecher Klaus Eckel. Pikart ist nicht nur die erst zweite Frau, die den Hauptpreis gewinnt, sondern auch noch eine „Zuagraste“, eine Gastarbeiterin – die allerdings gefühlt schon länger in Wien lebt als in der deutschen Heimat. Und die auch gleich den rekordverdächtigen Hattrick geschafft hat: Sonja Pikart hat als erste Person überhaupt sowohl den Förder- als auch den Programm- und den Förderpreis gewonnen. Weil sie nämlich – nach ihrer ersten Auszeichnung im Jahr 2019 – heuer auch noch mit dem Trio „GHÖST“ den Programmpreis abgeräumt hat.

Die Aufzeichnung der Gala wird auf ORF 1 zu sehen sein am Freitag, 20. Dezember, 22.30 Uhr, ORF 1.
Berni Wagner, Andrea Mayer, Sonja Pikart, Christoph Fritz © Stefan Joham

Der Bundespräsident beweist Humor

GHÖST“, das sind neben Pikart noch Berni Wagner und Christoph Fritz, die nur vordergründig eine Halloween-Show auf die Bühne bringen. Im Grunde könnte man sie fast als die Erben jenes anderen ausgezeichneten Trios sehen, das den Sonderpreis entgegennahm: Thomas Maurer, Robert Palfrader und Florian Scheuba sind seit 2011 „Wir Staatskünstler“ – und bekamen eine ganz besondere Laudatio. Kabarettpreis-Organisatorin Julia Sobieszek hatte nämlich alle Hebel in Bewegung gesetzt und den mächtigsten Mann im Staat dafür gewonnen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen schickte einen launigen Videogruß, in dem er zuerst feststellte: „Ich freue mich wirklich jedes Mal, wenn ihr ein neues Programm vorstellt. Bei den Parteien kann ich das nicht immer behaupten.” 

Dann nahm er die drei „Staatskünstler“ selbst auf die Schaufel: Der Österreichische Kabarettpreis, so das Staatsoberhaupt, sei ja eigentlich gar nicht mehr zu toppen, sodass der auf seinem Schreibtisch liegende Antrag auf das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst für die drei jetzt wohl hinfällig sei – und so schredderte Van der Bellen das Papier vor laufender Kamera. Am meisten darüber, dass diese Pointe aufging und für laute Lacher im Publikum sorgte, freute sich wohl der Moderator des Abends: Clemens Maria Schreiner hatte laut eigener Aussage daran mitgeschrieben. Und es sollte nicht der einzige gute Gag des Hauptpreisträgers des Jahres 2020 sein, der mittlerweile fast schon traditionell durch die Verleihungsgala führt.

Wir Staatskünstler_Thomas Maurer, Florian Scheuba, Robert Palfrader © Stefan Joham

Kabarett ist/wird weiblich!

Ebenso Tradition hat seit einigen Jahren, dass der Förderpreis weiblich ist. Man könnte das als positives Zeichen nehmen, dass immer mehr Frauen nachdrängen. Dass sie es aber im Jahr 2024 immer noch nicht leicht haben, bewies der Kurzauftritt der heurigen Preisträgerin in dieser Kategorie: Christina Kiesler befasst sich in ihrem prämierten Programm „Nachspielzeit“ mit genau diesem Thema der Gläsernen Decke. Und in ihrem Solo, aus dem sie bei der Verleihungsgala einen Ausschnitt präsentierte, bringt es die homosexuelle Fußballerin auf den Punkt: „Ich würde mich ja gerne hochschlafen – aber bei welchen Frauen?“ Sie hat, wenn sie sich nach oben streckt, „nur lauter Beidln im G’sicht“.

Die neue Generation ist im Internet daheim

Weniger vulgär, aber dafür manchmal absurd komisch und damit umso entlarvender agiert jene Frau, die heuer den Online-Preis entgegennehmen durfte: Irina (Nachname unbekannt) alias Toxische Pommes, ist genauso wie Pikart eine „Zuagraste“: Sie ist in Rijeka aufgewachsen. Außerdem ist sie das Sinnbild dafür, dass sich das österreichische Kabarett längst nicht mehr nur auf gut ausgeleuchteten Bühnen abspielt, sondern auch in zum Video-Studio umfunktionierten Wohn- und Arbeitszimmern. Denn die Karriere der Toxischen Pommes (der Name kommt übrigens daher, dass Irina eine toxische Beziehung beendete und frittierte Erdäpfelstreifen mag) begann in der Corona-Pandemie auf TikTok – und ein Ende ist nicht absehbar. Im Gegenteil gibt es immer mehr (Nachwuchs-)Kabarettist*innen, die Soziale Medien erobern. 

Christina Kiesler, Sonja Pikart, Toxische Pommes © Stefan Joham

Ein Hattrick für „Was gibt es Neues?“

Dem trägt der Österreichische Kabarettpreis mit dem Online-Preis Rechnung. Dieser ist im Vorjahr ebenso wie der Fernsehpreis aus dem bisherigen Publikumspreis hervorgegangen. Beide werden nun ganz basisdemokratisch mittels Voting und nicht von einer Fachjury aus Kulturjournalist*innen vergeben. In der TV-Sparte gab es den zweiten Hattrick des Abends: Das ORF-Format „Was gibt es Neues?“ gewann das Publikumsvoting zum dritten Mal – und das gerade rechtzeitig zum 20-jährigen Jubiläum der Sendung. Alle Preise, mit Ausnahme des Sonderpreises, der für besondere Leistungen um die Satire in Österreich vergeben wird, sind mit jeweils 2.500 Euro dotiert (das Preisgeld konnte heuer dank dem neuen Hauptsponsor Lotterien neben der HDI-Versicherung aufgestockt werden).

Fazit des Abends?

Das Kabarett wird nicht nur auf der Bühne weiblicher, sondern auch, wenn es um Preise geht. Der klare Männerüberhang in der Szene, vor allem in den höheren Ebenen, dürfte uns aber noch eine Weile erhalten bleiben – auch wenn Sonja Pikart, Christine Kiesler, Toxische Pommes & Co daran arbeiten, die Gläserne Decke zum Einsturz zu bringen. 

Clemens Maria Schreiner führte im Pailetten-Glitzeranzug durch den Abend. © Österreichischer Kabarettpreis

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