In seinem neuen Bühnensolo „Trotzdem“ arbeitet sich Thomas Maurer an KI und Social Media ab. Was ihm da besonders große Sorgen macht und warum er als einer von wenigen in Österreich politisches Kabarett macht, hat er Mathias im Interview erzählt.
„KI ist wie Palmöl oder Zucker“, stellt Thomas Maurer in seinem neuen Programm „Trotzdem“ (mit dem er ein Jubiläum feiert, weil es sein 20. Kabarettsolo ist) fest, „sie ist in viel mehr Sachen drin, als man glaubt.“ Vor allem ist sie in nerviger Hintergrundmusik enthalten, die in der ersten Hälfte in die Siebzigerjahre-Bühnendekoration hineindudelt und dem Protagonisten fürchterlich auf die Nerven geht. Vermutlich nicht nur ihm, sondern auch dem echten Kabarettisten – sonst hätte Maurer diesen Gag ja wohl nicht eingebaut. Reinhard Meys „Ich hasse Musik“ schießt mir da als erste Assoziation ein (danke für den Ohrwurm, wenigstens ist es ein sehr sympathischer). Aber immerhin gibt es in diesem Fall einfache Abhilfe: Maurer zieht einfach den Stecker. Und schon ist Ruhe im „Magic Woodquarter“ im tiefsten Waldviertel, wo das Navi Maurer fragt, wo sie sind.
Nur leider lauert die Künstliche Intelligenz noch an ganz anderer Stelle. Dagegen ist die Berieselungsmusik im Digital-Detox-Hotel, in das es Maurer in seinem neuen Solo verschlagen hat, noch harmlos. Die Liste der Dinge, die ihm Sorgen machen, ist lang, wie sich im „kultur*knistern“-Interview zeigt. Und vieles davon hat mit Donald Trump und der unter Elon Musk nun völlig unregulierten Plattform X (vormals Twitter) zu tun.
Ein Systembruch in den USA – und die EU ist zögerlich
Maurer ortet hier einen Systembruch: Der deutschstämmige Tech-Milliardär Peter Thiel, ohne den der künftige US-Vizepräsident J.D. Vance wohl kaum Trumps Running Mate geworden wäre und dem Trumps erste Amtszeit „zu wenig disruptiv war“, träume seit langem davon, den Staat abzuschaffen. „Demokratie ist für ihn sowieso nur etwas für Schwächlinge und Idioten.“ Der Staat solle sich auf Polizei und Militär begrenzen, um das Eigentum zu verteidigen, „und alle anderen sollen doch bitte scheißen gehen“, formuliert es Maurer – nicht ohne den Hinweis, dass unter Thiels Angestellten ein gewisser Sebastian Kurz zu finden ist. Genau dieser Herr Thiel hat dem Kabarettisten übrigens schon vor sieben Jahren Sorgen gemacht, als ich ihn für die „Wiener Zeitung“ interviewte.
Und was hat das mit der KI und den Social Media zu tun, denen sich Maurer in seinem Programm so intensiv widmet? Nun, der US-Wahlkampf sei ja über weite Strecken durch Social Media und KI-generierte Bots entschieden worden, stellt er fest. „Elon Musk ist dabei ‚full berserk‘ gegangen und hat wie ein durchgedrehter Teenager bis zu siebzig, achtzig Mal am Tag irgendwelche Memes gepostet, und teilweise glatte Fehlinformationen geteilt.“ Auch die FPÖ habe es geschafft, „ein gegen die Außenwirklichkeit abgedichtetes Social-Media-Ökosystem zu schaffen“ (quasi ihre ganz eigene Bubble, fern von Faktenchecks). Besserung ist für Maurer nicht in Sicht, weil die EU seiner Meinung nach viel zu zögerlich agiert und aus den USA unverhohlene Drohungen kommen. Dieses „Gangsterbanden-Level“ hätte er vor sieben Jahren, als ich mit ihm für die „Wiener Zeitung“ über die Gefahren aus dem Netz gesprochen habe, „in dieser Unverhohlenheit nicht erwartet“, meint Maurer.
Womit sich Maurer mittlerweile schwertut, das sind die üblichen Zuschreibungen „Links“ und „Rechts“, wenn es um politische Strömungen geht. Einen Peter Thiel, der nun zu den Trump-Masterminds gehört, als Konservativen einzuordnen, findet er ebenso schwierig wie die Tatsache, dass im linken Spektrum, das ohnehin nie ein homogener Block gewesen sei, „Queers for Palestine“ (mehr Infos dazu auch hier) nicht eine Erfindung von rechten Satirikern ist. Auf einer „From the river to the sea“-Demo möchte der bekennende Linke (und Linkshänder, das aber nur nebenbei, weil es im Programm vorkommt) jedenfalls nicht mitmarschieren.
Hat Schwarz-Rot den Warnschuss gehört?
Ist wenigstens in Österreich vielleicht nicht alles gut, aber zumindest bald wieder besser, wenn die einst große Koalition von ÖVP und SPÖ wieder ans Ruder kommt und ein „Volkskanzler“ Herbert Kickl verhindert wurde? Es würde ihn beruhigen, „wenn sich zumindest in Umrissen abzeichnete, dass die den Warnschuss gehört haben“. Er sieht das letzte Zeitfenster gekommen, um wirklich Arbeit vorzulegen und Strukturen auszumisten – nur daran glauben kann er leider nicht so recht. Vor allem, weil der „idiotische Föderalismus“ gerade für die ÖVP eine Lebensversicherung sei.
Stoff genug für die „Staatskünstler“, mit denen Maurer soeben den Sonderpreis beim Österreichischen Kabarettpreis bekommen hat, und seinen wöchentlichen Podcast „Maurer & Cik“ wird es also weiterhin geben. Vor allem, weil das politische Kabarett in Österreich schon lange sehr schwach besetzt ist. Allerdings war es schon in den 1990ern, als er mit dem Kabarett begonnen hat, „ein toter Hund“, meint Maurer. Selbst die „Simpl-Revue“ sei eher langweilig gewesen: „Da hat man immer geschaut, wenn die einen was abkriegen, dass es dann die anderen auch trifft. Das war eigentlich harmlos und ästhetisch ein bissl uninteressant. Deswegen wollten die meisten Leute in dieser Generation auf der Bühne etwas anderes machen.“
Einer der wenigen, die damals (und auch heute noch) unterhaltsames politisches Kabarett machten, war für ihn Lukas Resetarits. Unter Schwarz-Blau beschlossen dann Maurer und Florian Scheuba, dass es doch noch mehr davon brauchte – ihre gemeinsamen Bühnenstücke Anfang der 2000er Jahre waren die Vorläufer der 2011 gemeinsam mit Robert Palfrader gegründeten „Staatskünstler“, die bei der Kabarettpreisgala sogar vom Bundespräsidenten persönlich geehrt wurden. Trotzdem stellt Maurer über das politische Kabarett fest: „It’s a dirty job, but somebody ought to do it.“
„Ohne ein ‚Trotzdem‘ wird man trübsinnig“
In künstlerischer Hinsicht genießt aber auch Maurer es, in seinem Solo nicht der Tagespolitik reaktiv hinterherhecheln zu müssen, sondern den Abend in Ruhe entwickeln zu können. Warum sein aktuelles Programm ausgerechnet „Trotzdem“ heißt? „Es gibt derzeit fast weltweit wenige Sachen, die mir Trost und Optimismus spenden. Ohne ein ‚Trotzdem‘ wird man aber trübsinnig. Und davon wird auch nix besser.“
So arbeitet er sich also zwei Stunden lang an all den digitalen Erscheinungen des 21. Jahrhunderts ab, die ihm, als Jahrgang 1967 und damit Teil der Gen X, zumindest hinterfragenswert erscheinen. Wobei ich nicht umhinkomme festzustellen: Dafür, wie furchtbar er Social Media findet, muss er ganz schön viel Zeit damit verbracht haben. Das gibt er auch im „kultur*knistern“-Interview freimütig zu: „Ich habe mir im Vorfeld dieses Programms mehr reingezogen, als ich es normalerweise tue.“ Der Verfall von Twitter zu X fasziniert ihn dabei besonders. Auf die Frage, wie viele Schmerztabletten er in diesem „Höllenloch“ (Zitat Maurer) gebraucht hat, sagt er: „Ich bin hart im Nehmen. Aber ich würde mich auf dieser Plattform nicht mehr aktiv äußern. Es ist ja das Gegenteil einer Diskussionsplattform, voller KI-Bots.“
Noch kann die KI nicht alles mit uns machen
Besonders viele Ressourcen im Vorfeld – und auch noch während der ersten Vorstellungen – hat aber sein eigenes Meisterstück in Sachen KI und Deep Fake verschlungen: Er lässt bekanntlich Herbert Kickl eine fiktive Rede im Parlament halten. Aber es ist nicht das einzige KI-Video im Programm. Auch Maurer selbst kommt zu Ehren und macht Werbung für die russische Kryptowährung Dogecoin. Dass bei der Erstellung dieses Kurzfilms dann doch noch sehr viel Handarbeit und ein Griff ins Archiv zur Aufzeichnung eines alten Programms notwendig war, macht freilich ein bisschen Hoffnung: Noch sind wir tatsächlich nicht so weit, dass die KI alles nicht nur für uns, sondern auch mit uns machen kann.
Analoges Radio statt Alexa
Und Maurer selbst bewahrt sich zumindest im Privaten seine KI-freien Bastionen. Während seit Jahr und Tag ein uraltes analoges UKW-Radio in seinem Wohnzimmer steht, das er erst jüngst wieder zur Reparatur gebracht hat, wird ihm sicher keine Alexa ins Haus kommen: „Ich bin nicht naiv genug zu glauben, dass sie nicht zuhört, nur weil ich sie nicht aktiviere.“ Und er zitiert seinen Kollegen Florian Scheuba: „Man kann natürlich im Sommer freiwillig Gelsen züchten. Aber man kann es auch bleiben lassen.“
Thomas Maurers neues Kabarettsolo „Trotzdem“ hatte im Oktober Premiere. Er tourt nun mit seinem insgesamt 20. Bühnenprogramm durch Österreich.