Welche Beziehung haben wir zu den Dingen um uns herum? Haben wir Macht über die Dinge oder bestimmen die Dinge über uns? Diese Fragen behandelt das Stück still.dependent, das im Rahmen des ON THE EDGE Festivals erstmal gezeigt wurde.
Bei still.dependent begeben sich drei Performer*innen mittels Akrobatik und Tanz auf eine Reise zwischen Kontrolle, Abhängigkeit und Wahn. Um die schwierige Beziehung zwischen Mensch und Objekt darzustellen, verwenden sie beispielhaft das Cyr Wheel. Ich habe mich mit Joël Beierer und Sandra Hanschitz über ihre Arbeit unterhalten.
Good to know: Das Cyr Wheel ist Akrobatik-Gerät, das an einen überdimensionalen Hula-Hoop-Reifen erinnert. Es besteht aus einer Stahl- oder Aluminiumröhre, die oft mit Harz oder Gummi beschichtet ist, um nicht wegzurutschen.
Wer seid ihr – und was macht ihr?
JB: Ich bin Joël Beierer, bin von Haus aus Musiker und habe hier mehrere Rollen eingenommen. Gemeinsam mit Sandra sitze ich in der künstlerischen Leitung vom Stück still.dependent. Aber ich finde, „Regie“ trifft es wohl am besten.
SH: Ich bin Sandra Hanschitz. Identifizieren würde ich mich als Tänzerin und Artistin. Im Stück bin ich aber neben Performern auch künstlerische Leitung, Produktionsleitung und habe alle anderen möglichen Rollen.
Was ist „Zirkus“ für euch – und wie war euer Weg dorthin?
JB: Mein Erweckungserlebnis war auf dem at.tens!on Festival. Das ist auf dem gleichen Gelände wie die Fusion, das ist ein großartiges Theaterfestival mit zeitgenössischem Tanz, Zirkus und Theater im Programm. Dort ist mir zeitgenössischer Zirkus über den Weg gelaufen und mich hat die Möglichkeit der Ausdrucksform über das Mittel des Staunens gecatcht. Ich dachte mir nur, das ist großartig: Du kannst so viele Dinge miteinander verbinden im Zirkus. Und das Staunen ist wie ein Mittel, um etwas Anderes zu erzählen.
SH: Ich habe zeitgenössischen Tanz studiert und dann habe ich einfach Lust auf irgendwas Neues gehabt. Ich habe im Tanz mein Zuhause gefunden und das, was ich machen will. Aber ich hatte trotzdem Lust auf eine neue physische Herausforderung. Als ich eine Cyr Wheel-Performerin in Helsinki auf der Straße gesehen habe hat es mich dann gepackt und ich habe es ausprobiert.
JB: Für mich bedeutet Zirkus, zusammengefasst, über das Mittel des Staunens auf eine tiefere Ebene zu kommen.
SH: Zirkus bedeutet Spaß. Es ist die Möglichkeit, einer kindlichen Neugierde nachzugehen und damit zu spielen. In diesem Fall mit dem Objekt, mit dem ich hauptsächlich arbeite, einem goldenen Cyr-Wheel. Ich glaube für mich hat der Zirkus eine Kraft, sehr direkt und zugänglich zu sein in der Physis für ZuschauerInnen. Also so ein Staunen und das gewisse Etwas, das einen mit nimmt und inspiriert, zu kreieren.
Wie ist die Idee zu still.dependent entstanden?
JB: Sandra und ich haben ein erstes Stück, „||||| – about the art of letting go„, unter ihrer Leitung produziert und waren damit auf Tour. Ich war als Musiker viel im Prozess einbezogen, hab zugeschaut und habe gemerkt, dass sich mir diese Machtbeziehung zwischen Objekt und ihr als Künstlerin total aufdrängt. Zu dem Zeitpunkt habe ich gerade noch meine Bachelor-Arbeit geschrieben über „Künstliche Intelligenz und den Menschen“ und mich dafür mit Objekt-Mensch-Beziehungen auseinandergesetzt. Und boom, es hat für mich geklickt – ich wollte das Cyr-Wheel unbedingt noch in weiteren Formen und Auseinandersetzungen sehen.
Vom Herantasten bis zur Klarheit: Wie war der Arbeitsprozess des Stücks?
JB: Ich hatte einige sehr starke Bilder im Kopf, viele davon sind auch bis zum Ende geblieben. Dann war sehr vieles auch einfach ein Ausprobieren und physische Recherche. Da ist Sandra, die den Input gibt für die physische Recherche, die immer von innen heraus kommt. Ich würde unsere Arbeit ein bisschen so beschreiben: Sandra kommt von innen, ich komme von außen – und wir treffen uns in der Mitte.
Was kann man sich bei still.dependent erwarten?
JB: Wir kommen beide eher aus der Richtung „Tanz“. Sandra noch mehr als ich, weil ich bin ja nicht einmal Tänzer. Sandra bringt ihre Interessen für das Cyr-Wheel aus einer tänzerischen Perspektive ins Stück. Ich habe im Tanz-Bereich immer als Musiker gearbeitet. Erwarten kann man sich also einerseits eine tänzerische Auseinandersetzung mit der Cyr Wheel-Disziplin, andererseits aufregende Höhen, sehr verschmelzende, liebevolle Momente, Kontraste…
SH: Ich würde sagen, es erwartet die Zuschauer*Innen eine Reise. Es ist eine Einladung für eine Reise mit uns, den Performer*innen, dieses Objekt zu erkunden und uns dabei zu begleiten.