Bring me Edelweiss: Die volle Geschmacksverwirrung der 1980er-Jahre

Das Metropol zeigt das Nostalgie-Musical „Bring me Edelweiss“.

Es ist wieder Musical-Zeit im Wiener Metropol. „Bring me Edelweiss“ heißt die neue Produktion aus der Feder von Musical-Autor Markus Gull und Metropol-Chef Peter Hofbauer (Musik: Christian Deix), die eine Hommage an den Austropop der 1980er-Jahre darstellt.

Eine Reise in die Vergangenheit: Ab in die 80er!

Gleich am Anfang wird das Motto ausgegeben: „Genug ist nicht genug.“ Das passt, waren doch die 80er jenes Jahrzehnt, in dem noch der absolute Fortschrittsglaube herrschte, saurer Regen hin oder her. Smartphones waren noch nicht einmal Zukunftsmusik, man war froh, wenn man kein Vierteltelefon mehr hatte, und ja, 1986 ist Tschernobyl passiert. Aber wir waren weit weg von Klima-Angst und glaubten an eine rosige Zukunft mit einem Ende des Kalten Kriegs.

Bring me Edelweiss (c) Peter Burgstaller

Und mitten in dieser allgemeinen Grundstimmung tauchen wir ein in die Geburtsstunde des Austropop. Die Rahmenhandlung bildet eine deutsche TV-Show, in die es ein Männerduo aus Wien und zwei Mädels aus München verschlägt. Und plötzlich sind wir live dabei bei der Gründung der Bayrisch-Österreichischen Freundschaft, kurz DÖF. Assoziationen zum Deutsch-Österreichischen Feingefühl (Joesi Propkopetz und Fredi Tauchen sowie Annette und Inga Humpe) kommen da nicht von ungefähr, auch wenn dieses nicht wie im Musical 1988 gegründet wurde, sondern fünf Jahre früher. Ganz passt es also nicht von der zeitlichen Einordnung her, aber das ist egal. Schließlich gilt immer noch der alte Leitsatz: Wer sich an die 80er erinnern kann, war nicht dabei.

Glitzer und Vokuhilas

Auf der Bühne glänzt – oder besser: glitzert – ein achtköpfiges Ensemble rund um Vincent Bueno, der einmal mehr zeigt, was er als Sänger und Tänzer drauf hat. Gemeinsam mit Stefan Bleiberschnig durchlebt er die musikalischen Höhepunkte dieser Dekade (wenn man sie als solche sehen will). Da blinkt es auf allen Kostümen, Vokuhilas und Schnauzbärte stechen ebenso ins Auge wie aufgekrempelte Sakko-Ärmel, Karottenhosen, grellbunte Skianzüge und Moonboots. Dazwischen wird gekokst, gesoffen – und viel gesungen. Ein nationaler und internationaler 80er-Hit nach dem anderen wird persifliert – wer erkennt sie alle?

Vincent Bueno & Co scheinen selbst großen Spaß daran zu haben, sich in Outfits, die heutige Jugendliche bestenfalls peinlich fänden, zum Affen zu machen. Wir erleben hier die volle Geschmacksverwirrung der 1980er-Jahre – und haben irrsinnig viel Spaß dabei. Es sind die kleinen Details, Anspielungen und Zitate, die diese Inszenierung so unterhaltsam machen: Verschiedene deutschsprachige Dialekte prallen aufeinander. Marty McFly trifft modisch auf Jane Fonda. Boris Pfeifer agiert hinreißend als aufgeblasener Musikproduzent. Norbert Oberhauser schlüpft ins Lederdirndl. Markus Richter lässt in seinem Auftreten als Musikmanager selbst Ingenieur Breitfuß aus „MA2412“ modern aussehen. Und zu jedem Gag gibt es den passenden musikalischen Einspieler. Barbarella lässt ebenso grüßen wie Wham! oder Michael Jackson. Und das Publikum ist eingeladen zum Mitsingen.

Bring me Edelweiss (c) Peter Burgstaller

Aufbruchstimmung & etwas zum Nachdenken

Es ist aber nicht alles Ulk, denn „Bring me Edelweiss“ bringt die beinahe schon verzweifelte Aufbruchstimmung dieser Generation von Musiker*innen, die sich dringend von den Altvorderen und ihren Stilen abnabeln wollten, gut auf den Punkt, begleitet von der bangen Frage, ob irgendwann der Computer das Musikmachen übernehmen würde (die Antwort mag sich jede*r selbst geben). Und hier offenbaren sich auch die intriganten Hintergründe des Musikbusiness, die heute womöglich nicht viel anders sind als vor vier Jahrzehnten.

Wir verlassen das Theater trotzdem am Ende mit einem guten Gefühl. Weil wir zweieinhalb Stunden gut unterhalten worden sind und entweder noch einmal in die musikalische und modische Welt unserer Jugend eintauchen konnten – oder als Nachgeborene froh sind, dass wir dieses Jahrzehnt nicht live erleben mussten und uns auf ausgewählte Gustostückerl in der Spotify-Playlist beschränken können. 

„Bring me Edelweiss“ ist bis 22. März im Wiener Metropol zu sehen.

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