Amoako Boafo – der Künstler, der „doch lieber weiße Menschen porträtieren sollte“

“Wenn du in ein Museum oder eine große Galerie gehst, siehst du ausschließlich weiße Figuren. Du siehst dort nicht die Gesichter, die ich male. Ich möchte meinen kleinen Beitrag leisten, diese Lücke zu schließen.” Amoako Boafo ist längst kein Unbekannter mehr. Der in Accra/Ghana geborene Künstler stürmte mit seinen mit Fingern gemalten Porträts den westlichen Kunstmarkt. Doch sein Weg, der von außen stetig und problemlos scheint, war für Boafo alles andere als einfach.

Nach seinem Studium am Ghanatta College of Art & Design in Accra zog es den ghanaischen Künstler 2014 nach Wien, wo er an der Akademie der bildenden Künste zu studieren begann. Ein Schritt, der seine Karriere als Künstler formte. Durch Zufall fing Boafo während eines Atelierbesuches an, mit den Fingern zu malen und kreierte somit seinen einzigartigen Wiedererkennungswert.

Amoako Boafo, Artist Portrait 2024 (c) Alejandro Zaras

Seine Schau im Unteren Belvedere umfasst mehr als 50 Werke. Weitere drei Arbeiten wurden in die Schausammlung zu Wien um 1900 integriert und werden somit gegenüber den wichtigsten österreichischen Vertretern der Moderne gestellt – das passiert nicht ohne Grund. Während seiner Zeit in Wien fand er selbst dort Inspiration in den bunten Mustern von Gustav Klimt und eine veränderte, emotionalere Darstellung der Männlichkeit von Egon Schiele.

Aber was machen Amoako Boafos Werke nun so besonders?

Amoako Boafo porträtiert vor allem Freund*innen, Bekannte oder Menschen, die ihm in den sozialen Medien begegnen. Auch Selbstporträts finden sich in seiner Ausstellung – eine Art persönliches, gemaltes Fotoalbum.

„Was ich tue, ist, die guten Menschen um mich herum zu dokumentieren“, sagt Amoako Boafo. Damit rückt er Schwarze Persönlichkeiten in den Fokus und verleiht ihnen eine bedeutende Präsenz, die weit über die Leinwand hinaus den gesamten Ausstellungsraum prägt. Dabei verbindet alle Porträts ein gemeinsames Anliegen: Sie zeigen ein zeitgemäßes Bild von Schwarzer Selbstermächtigung und -wahrnehmung.

Sie feiern den freundschaftlichen Zusammenhalt innerhalb einer solidarischen Gemeinschaft, zeigen Momente der Freude und der Leichtigkeit und feiern Blackness.” Kurator Sergey Harutoonian 

Unteres Belvedere, Amoako Boafo (c) Belvedere

„Why Do You Only Paint Black People?“

Das vielleicht eindrucksvollste Porträt der Ausstellung befindet sich im letzten Raum. Anders als in den anderen Werken bleibt die dargestellte Person hier nur schemenhaft erkennbar. Ihr Gesicht ist von einer schwarzen Fläche verdeckt, in den Händen hält sie ein Schild mit der Frage: Why Do You Only Paint Black People.

Diese Frage wurde Amoako Boafo oft gestellt, nachdem er zum Studium nach Wien zog – nicht zuletzt, weil weiße Figuren laut Wiener Galerien angeblich besser verkäuflich seien. In seiner Heimat Ghana hingegen kam diese Frage nie auf. Mit diesem Werk kehrt Boafo die Frage um und richtet sie an die Betrachtenden. Es lädt dazu ein, die eigene Perspektive zu hinterfragen und sich mit den dahinterliegenden Vorurteilen auseinanderzusetzen.

Oberes Belvedere, Amoako Boafo (c) Belvedere

Die Ausstellung ist weit mehr als eine umfassende Werkschau von Amoako Boafo – sie ist ein politisches Statement, das tiefgreifende und komplexe Themen wie Rassismus behandelt. Themen, die für weiße Betrachter*innen leider oft schwieriger greifbar sind. Bei der Pressekonferenz im Unteren Belvedere – übrigens seine erste große Einzelausstellung in Europa, ließ Boafo sich durch den Kurator Sergey Harutoonian vertreten. Im persönlichen Gespräch erklärte Harutoonian, dass Boafo sich noch immer unwohl dabei fühle, vor einer großen Zahl weißer Personen zu sprechen – eine Sorge, die leider kurze Zeit später mehr als berechtigt schien.

Während meines Rundgangs durch die Ausstellung sprach mich ein alter weißer Mann (not sorry to say) an, der auf die Aussage des Kurators, die Black Community in Wien sei eine marginalisierte Gruppe, mit folgender Bemerkung reagierte: „Da muss der Kurator mal U6 fahren, da sind ja die ganzen Schwarzen.Eine solche Reaktion verdeutlicht, wie notwendig und bedeutsam eine Ausstellung wie Proper Love ist.

Ein Safe Space für POC, Podcasts & Musik

Trotz der tiefgreifenden Botschaften lädt Proper Love dazu ein, sich in den leuchtenden Farben und dynamischen Mustern zu verlieren. Jedes Werk ist so detailreich, dass es bei jedem Betrachten etwas Neues zu entdecken gibt. Das Untere Belvedere gelingt es dabei meisterhaft, moderne Kunst mit einem zeitgenössischen Schwarzen Bewusstsein zu verbinden und so eine eindrucksvolle Brücke zwischen Tradition und Gegenwart zu schlagen.

Begleitet wird die Schau von einem vielfältigen Rahmenprogramm: Ein persönliches Highlight ist die von Boafo kuratierte Spotify-Playlist, die Lieder vereint, die ihn persönlich und künstlerisch geprägt haben. Ein weiteres Highlight ist ein Podcast, in dem Anna Gaberscik mit Joy Adineke Breiner, Abiona Esther Ojo, Denise Van De Cruze und Sergey Harutoonian über die Bedeutung von Proper Love und ihre persönliche Beziehung zu Boafo spricht. Neben einem herkömmlichen Vermittlungsprogramm werden auch Safe Space-Touren angeboten, die ausschließlich für POC (People of Color) sind.

Dass Boafo nun im Belvedere, einem der bedeutendsten Museen Österreichs, präsentiert wird, ist nicht nur eine Würdigung seines Werks, sondern auch ein kraftvolles politisches Statement. Eine absolute Empfehlung! 

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