Alice im Wunderland, Fluch der Karibik, Walzer-Musik, ein großes Karussell auf der Bühne, Tänzer*Innen mit Tierköpfen, Wiener Schmäh und Suderei – und ordentlich viele Witze über die Politik in den USA und Österreich. Flora & Manon waren in der letzten Vorstellung von “Das Spitzentuch der Königin”, einer Operette von Johann Strauss, im Theater an der Wien.
A perfect Match: Operette & Kabarett
F: Wenn ich in die Oper gehe, aber eigentlich Kabarett sehen will, würde ich ohne mit der Wimper zu zucken Johann Strauss mit dem „Spitzentuch der Königin“ vorschlagen. Ich bin normalerweise schwer zum Lachen zu bringen, wenn ich als Zuschauerin im Saal sitze – auch wenn Operetten schon von Haus aus lustig sind. Das Theater an der Wien hat jedoch mit Hommagen und Parodien an die aktuell entstehende Bundesregierung sowie diverse andere blonde Sturköpfe mit orangener Haut dermaßen aufgetrumpft, dass sogar ich an diesem Abend zum Lachen gebracht wurde.
M: Es ist generell der Vorteil der Operette, dass die gesprochenen Textstellen leicht und spontan abgeändert werden können. Denn mit nur kleinen Adaptionen kann so die aktuelle politische Situation, Klimawandel, Pferdeliebhaber-Kickl und (theoretische) Wahlmanipulation in den USA angesprochen werden – ohne mit dem Kopf durch die Wand zu müssen oder zu aufdringlich, zu direkt zu sein. Dass die Handlung dieser Strauss-Operette auch so schon eine politische Parodie ist und damit perfekt zu unserer heutigen Zeit passt, macht es einfach noch besser.
Worum geht’s?
Der König von Portugal hat nichts anderes im Kopf außer zu Essen und vernachlässigt seine Königin genauso wie die Staatsgeschäfte. In Wahrheit regiert Premierminister Graf Villalobos das Land und macht, dank Freunderlwirtschaft, ordentlich Profit. Doch dann kommt der Dichter Cervantes an den Königshof. Er ist aus Spanien geflüchtet, schreibt gerade an einem Buch das von Staatsintrigen und korrupten Politiker*Innen handelt (“Don Quijote”) und ist mit der Hofdame Donna Irene zusammen. Dem Premierminister ist das, was Cervantes schreibt, überhaupt nicht recht und versucht ihn einsperren zu lassen – woraufhin Cervantes gemeinsam mit Donna Irene einen (erfolgreichen) Plan schmiedet, um den König dazu zu bringen, Verantwortung zu übernehmen.
Trump, Kickl und die Habsburger – erschreckend aktuell.
1880 wurde das damals renovierte Theater an der Wien mit dieser Operette wiedereröffnet. Es war eine gute Entscheidung, auch bei der diesjährigen Wiedereröffnung nach langer Renovierungszeit mit diesem Stück zu beginnen. Vor allem, weil die Operette erschreckend aktuell ist.
Theoretisch bildet der 16. portugiesische König Sebastian I. das historische Vorbild für den König in der Operette. Er wurde im Alter von drei Jahren (!) auf den Thron gesetzt, dementsprechend regierten seine Mutter und Kardinal Heinrich das Land. In der Praxis ist man sich allerdings einig, dass das eigentliche Vorbild für die Handlung eher die aktuellen politischen Umstände zu Zeiten von Johann Strauss bildeten. Denn Kronprinz Rudolf (Habsburger und so) hatte andere Ziele für das Land als sein Vater Franz Joseph I. (Ja, genau dieser Franzl, der von der Sisi!), weshalb der Prinz und sein Ehrgeiz abgelenkt und anderweitig beschäftigt wurde – mit schönen Frauen. Wie war das noch gleich: “sex sells”?
Aber zurück zur Operette: Der Premierminister will Portugal an Spanien verkaufen (kommt uns bekannt vor – Ibiza, anyone?), der Finanzminister hat sich schön viel Geld auf die Seite gelegt (*hust* Grasser, Benko und Co. *hust*) und der König wird laufend mit Essen abgelenkt. Klingt irgendwie weit hergeholt und gleichzeitig viel zu bekannt. Neben übertrieben dargestellten Schauspielszenen und Wiener Dialekt (im etwas abgewandelten Libretto) sorgten einige parodische Schüsse gegen die sich gerade überschlagenden politischen Geschehnisse für laute Lacher im Publikum. Der Abend ist eine angenehme Flucht vor den absurden Geschehnissen der letzten drei Wochen und gleichzeitig wird alles gekonnt auf die Schaufel genommen.
Alles Walzer, auch in Portugal!
F: Musikalisch wurde alles sehr simpel gehalten. Walzer hin und Walzer her, etwa dreißig Mal die Harfe im Mittelpunkt und einige rasante Paukenschlüsse. Und sogar Carmen wurde eingebaut! Im dritten Akt wird man von der Stierkampf-Melodie aus der Oper von Georges Bizet überrascht. Ein „Go!“ für sogenannte „Mitwipper“ – so einen Engagierten gabs nämlich hinter mir, nur leider hat er nicht nur seeeeeehr laut mitgewippt, sondern auch in einem Tempo weit abseits dem des Dirigenten.
M: Generell war es einfach ein schöner Abend. Gesanglich und musikalisch stabil, super Tempo, keine langweiligen (oder zu langsamen) Momente, eine angenehme Dauer. Auch wenn mir die erste Hälfte etwas lang vorgekommen ist, ist die Zeit super schnell vergangen.
F: Manchmal haben die Sänger*Innen das Orchester abgehängt und waren zu schnell unterwegs. Sie haben sich allerdings immer sehr schnell wieder zusammen gefunden. Ehrlicherweise war das aber nicht überraschend, immerhin haben die Sänger*innen bei manchen Stellen keine Chance gehabt, einen Blick auf den Dirigenten (oder den Bildschirm, der auf den Seiten angebracht ist) zu werfen, da sie entweder am sich drehenden Karussell gestanden sind oder hinter Requisiten versteckt waren.
M: Ein großes Kompliment gilt jedoch vor allem den Tänzer*Innen. Sie waren ein primärer Bestandteil der gesamten Inszenierung. Die Choreografie vermischt klassischen Tanz mit Waacking, Voguing, und anderen modernen Tanzrichtungen und die Tänzer*Innen bringen eine Power auf die Bühne, die unvergleichlich ist – und das trotz der Tiermaske, die sie die ganze Zeit über dem Kopf tragen. Auch das Bühnenbild hat keine Wünsche offen gelassen: Ein großes Karussell, das sich in alle Richtungen dreht. Übergroße Teetassen, teilweise als Thron verwendet, Holzpferdchen, eine schöne Kutsche, glitzernde Kostüme, … Alles erinnert an eine spannende Mischung aus “Alice im Wunderland” und “Fluch der Karibik”. Ich hätte nicht gedacht, dass diese zwei Filme oder Stile zusammenpassen – aber es war so überzeugend, dass ich eigentlich gerne mehr Stücke in diesem Stil inszeniert sehen würde. Es gibt dem ganzen einen Hollywood-Touch und macht es auch visuell extrem interessant, egal wie alt die Zuschauer*innen sind.
F: Ansonsten sind wir begeistert vom neu renovierten Theater an der Wien, den Makavas an der Bar und der auserwählten Operette als Auftakt für das kommende Strauss-Jahr. Hoffentlich kommt das Stück wieder auf den Spielplan!