Stefan Zweigs “Die Schachnovelle” auf der Bühne des Burgtheaters mit musikalischer Begleitung und Discokugel? Das klingt nach einem großen Unterfangen… Und es war erfolgreich! Gleich zu Beginn startet das Stück mit beschwingter Musik von der Live-Band auf der Bühne. Man kriegt Lust, selbst aufzustehen und zu tanzen. Aber Moment – geht es hier nicht um Schach und psychologische Kriegsführung?
Hard facts:
2 Stunden lang, ohne Pause; Regie und Textbearbeitung: Nils Strunk und Lukas Schrenk, Musik von Nils Strunk; Bühne von Maximilian Lindner mit Bildern von Herbert Nauderer.
Basierend auf der gleichnamigen Novelle von Stefan Zweig aus 1941/42.
ACHTUNG: Das Stroboskop geht ziemlich ab!
Die Geschichte der “Schachnovelle” – Worum geht’s?
Auf einem Passagierschiff nach Buenos Aires fährt ein Schachweltmeister mit. Ein Fakt, der einige Hobby-Schachspieler in große Begeisterung versetzt. Gemeinsam verlieren sie sehr schnell gegen den Meister. Bei der Revanche interveniert plötzlich ein neuer Spieler, durch den sie einen Gleichstand erzielen. Die Herren sind hellauf begeistert und möchten den mysteriösen Dr. B. zu einer eigenen Partie mit dem Weltmeister bewegen. Dr. B. erzählt einem der Herren von seinen Beweggründen, dies zunächst abzulehnen: Er wurde von der Gestapo isoliert festgehalten. Keine Chance auf menschlichen Kontakt, außer den zeitlich ausgedehnten Verhören. Bis er eines Tages bei einem Verhör ein Buch stehlen kann: ein Register der besten Schachpartien. Mit diesem Buch schafft er es, die Isolation durchzustehen, wobei er damit an seine mentalen Grenzen stößt. Seine “Schachvergiftung” möchte er nicht wieder aufleben lassen. Als er sich schließlich doch zu einer Partie mit dem Meister überreden lässt, gewinnt er zwar, verfällt dabei aber in sein Trauma zurück. Die Revanche spielt er nicht mehr zu Ende.
Die Ein-Mann-Show mit Live-Band – für alle Kenner und Neulinge eine Empfehlung
All das präsentiert uns Nils Strunk: er spielt Klavier, verkörpert alle Rollen, singt und tanzt über die Bühne. Die ganze psychologische Palette der Passagiere, des Schachweltmeisters und des Dr. B. führt sehr gezielt durch den Abend. Die Höhen der Unterhaltung können mit vollem Lachen genossen werden, denn die Tiefen der Geschichte werden sehr sorgfältig behandelt. Der Sog und die Intensität der Erlebnisse entsprechen der Geschwindigkeit der literarischen Vorlage.
Die Spannung während der Erzählung des Dr. B. wirkt sich auf den ganzen Körper aus. Durch die musikalische Begleitung, die eigentlich wie Filmmusik und Soundeffekte genutzt werden, wird man in den Bann gezogen. So wird auch das Klavier selbst zum Schachspiel – eine kurze Passage ist ein Schachzug eines Spielers. Ebenso hat die Inszenierung eine Leichtigkeit in den Abschnitten des Passagierschiffs, die in den verschiedenen Charakteren der Mitfahrer zum Ausdruck kommt.
Die Charaktere sind die Farben des Schachbretts
Die riesigen Leinwände des Künstlers Herbert Nauderer, die von der erzählenden Figur zur visuellen Unterstützung aufgestellt werden, sind ebenso wie die restliche Bühne (Maximilian Lindner) und die Kostüme (Anne Buffetrille) in schwarz-weiß gehalten. Ein farbliches Thema, das sich entsprechend des Inhalts durch das Stück zieht. Die einzigen optischen Farbkleckse im Laufe des Abends werden das knallrote Schachregister des Dr. B. und die kurzzeitige Beleuchtung der Discokugel sein. Denn die vielen Charaktere, der schnelle Wechsel zwischen ihnen und die auditive Untermalung bringen mehr als genug Farbe.
Die Emotionen arbeiten den ganzen Abend
Der/die Zuschauer*In kann sich ganz in die Hände des Erzählers mit seiner Live-Band begeben, die Reise mit ihnen ist eine außergewöhnliche. Sämtliche Emotionen werden in der Inszenierung bedient, genauso wie Vorlieben für Theater und Musik. Die Thematik des “Spiel” wird in dieser Inszenierung gelebt. Ein Highlight, das niemand verpassen sollte! Daher schnell sein beim Ticketkauf, dieser aufsehenerregende Abend ist immer schnell ausverkauft.
Tipp der Redaktion:
Auf den oberen Sitzplätzen (Galerie) sitzt man viel nach vorne gebeugt, da die Bühne hauptsächlich im vorderen Bereich genutzt wird. Man hat dafür einen wunderschönen Blick in den Zuschauer*innenraum, wenn die Discokugel beleuchtet wird und das ganze Burgtheater zum Glitzern bringt. Und mit etwas Glück sieht man nach dem tosenden Applaus noch kurz, wie die Musiker eine kurze Jamsession für das Publikum anspielen – bis die Bühnenarbeiter ihnen buchstäblich die Bühne unter den Füßen abbauen.