Egal – Akademietheater ** Wie egal kann es sein?

Ein Paar trifft spätabends aufeinander – sie kehrt von einer Dienstreise zurück, er hat gerade die Kinder ins Bett gebracht. Sie hat ihm ein Geschenk mitgebracht, er will es nicht aufmachen, ist irritiert von ihrer Geste. Sonst ist er ihr doch auch nicht so wichtig. Man macht sich gegenseitig Vorwürfe, nicht zuzuhören, nicht Acht zu geben, den anderen zu unterschätzen und nicht glücklich zu sein, mit dem, was man hat. 

Ganz so Schema F ist es dann aber doch nicht: Die Positionen wechseln mitten im Spiel und auf einmal kommt er von der Dienstreise zurück und sie hat die Kinder ins Bett gebracht. Auf einmal entfaltet sich die gleiche Situation erneut, nur in verdrehten Rollen. Teilweise ist sogar der Text 1:1 derselbe, nur in einigen Abweichungen ändert sich der Dialog durch die verwechselten Rollen. Und obwohl es doch eigentlich eine Wiederholung ist, ist alles anders.

Es ist egal, aber es ist eben auch gleich, die Situation im Stück “Egal” Marius von Mayenburg, derzeit in der Inszenierung von Thomas Jonigk am Akademietheater zu sehen.

Michael Wächter und Caroline Peters in Egal (c) Monika Rittershaus

Irgendwie bleibt alles gleich.

Es wird über die Vernachlässigung des Partner/der Partnerin diskutiert, die zuhause bei den Kindern bleibt und nebenbei versucht, der eigenen Arbeit doch noch nachkommen zu können. Wie unglücklich der/die Reisende mit dem Job ist, aber doch alles mit dem größeren Einkommen finanziert.

Nach dem Switch ist die Gewichtung der Positionen auf einmal auch anders: Bei dem Vater ist alles etwas leichter und lustiger, er wird fast schon als “übersensibles Männlein” gezeigt. Man amüsiert sich über die ungewohnte Sichtweise. Als die Position sich dreht, ist es schon nicht mehr so lustig. Auf einmal hat jeder Satz eine andere Gewichtung, wird anders gesprochen und wahrgenommen.

Michael Wächter und Caroline Peters in Egal (c) Monika Rittershaus

Ah, es geht ums Geld!

Man schwingt emotional bei den phänomenalen Darstellungen von Caroline Peters und Michael Wächter mit, die einen in die jeweilige Situation mitnehmen und eiskalt erwischen, wenn man dann doch lieber mit einem der beiden weiter sympathisieren möchte – dabei ist doch jetzt die Rolle anders!

Die ganze Situation dreht sich um die Dynamik des Paares, das fast schon gefangen ist, auf der Bühne ohne erkennbare Türen. Es dreht sich eigentlich immer um die Machtposition Geld: die Person, die die Familie stärker finanziell stützt, hat Vorrang. Egal, was ist.

Michael Wächter und Caroline Peters in Egal (c) Monika Rittershaus

Definitiv nicht egal, wenn man es verpasst.

Auch der Titel ist so spannend: “Egal” – es ist egal, es geht ums Geld. Es ist nicht egal, man möchte immer einer Position mehr zustimmen. Es ist egal, was die Argumente sind, wenn der Weg schon von den bisherigen Entscheidungen vorgezeichnet ist. Es ist egal, was man sich vornimmt. Die Positionen der Partner*innen in einer Beziehung können schwer gleich sein, wenn die Voraussetzungen es nicht zulassen. Und trotzdem bleiben die Themen die gleichen.

Das schnelle Hin-und-Her und der interessante Situationswechsel machen es zu einem spannenden Abend, bei dem man nicht wegschauen kann, obwohl man dann zwischendurch schon weiß, was jetzt passieren wird. Aber nicht nur wenn etwas zum ersten Mal passiert, ist man überrascht – man weiß schließlich noch nicht, wie es sich im zweiten Durchlauf abspielen wird.

(gesehen am 26.3.2025)

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