Musikalisch eine Vorstellung für die Seele, szenisch unaufgeregt, nett – Staatsoper halt.
Beim Lesen in die richtige Stimmung kommen: Die passende Playlist der Wiener Staatsoper zu “Norma”
Große Stars, ein bisschen Glanz
In Norma (Oper von Vincenzo Bellini) geht es um viel Trauer, ums Verlassen-werden, um die Liebe und um den schönsten Operngesang wo gibt. Eigentlich sollte das so sein – ist es aber leider nicht überall. An der Wiener Staatsoper ausbaufähig, aber vielleicht war’s auch nur das Generalproben-Schicksal.
Mit Frederica Lombardi als Norma und einem Pollione von Juan Diego Florez, ist die Spitzenreihe der internationalen Opernsänger*innen an der Staatsoper Wien vertreten. Im Opernhaus am Ring glänzten jedoch trotz groß angekündigter Starbesetzung in den Titelrollen nur die weiblichen Sängerinnen, und auch da eine mit gehörig Vorsprung. Es ist nicht Norma.

Belcanto und Herzschmerz – selbst beim Publikum.
Kennt ihr das, wenn etwas so schön ist, dass es einem trotzdem (oder gerade deshalb) das Herz bricht? Nun – mein Herz ist gebrochen. Mit jeder Notenfolge und jeder kleinen Steigerung Lombardis Gesang in ihrer „Casta-diva“-Arie oder im Duett mit Vasilisa Berzhanskaya in der Rolle der Adalgisa.
Knister*Wissen: Als Belcanto-Gesang bezeichnet man einen besonders schönen, ‚glänzenden‘ Sologesang. Als Belcanto-reich gelten zum Beispiel Opern von den italienischen Komponisten Bellini, Rossini und Donizetti.
Berzhanskaya wurde zum ersten Mal, frisch aus New York, an die Wiener Staatsoper geholt und brilliert so sehr, dass sie Norma nicht nur den Mann stiehlt, sondern Lombardi auch gesanglich die Show. Ihr scheint nämlich in ihren hohen Einzelpartien die Stimmfarbe etwas abhandengekommen zu sein. Ob das nun an der Stimmschonung der Generalprobe oder ihrer generellen Verfassung liegt, kann nur am Premierenabend klargestellt werden. Im Duett können die beiden Lombardis schwache Höhe gut kaschieren, dafür gibt‘s vom Publikum ein kräftiges „Brava“.
Keine NORMA ohne Belcanto – oder doch?
Bei Florez‘ Verführungsgesang „Vieni a Roma“ oder weiteren, normalerweise nennenswerten Gesangsmomenten hat‘s für meinen Herzensbruch nicht mal ansatzweise gereicht. Schon nach den ersten Tönen war auf keine Glanzleistung des Baritons mehr zu hoffen.

Seine sonst so beliebte Stimme bei der Generalprobe ganz dünn, lässt den/die ein oder andere*n erwartungsvolle*n Opernbesucher*in gezwungenermaßen unbefriedigt zurück. Ob sich auch hier wieder auf die Generalprobe ausgeredet werden kann? Ich würde sagen: Eher nein. Man kann darüber hinwegsehen, muss man aber nicht. So etwas muss sitzen und Gesangsqualität, noch dazu in der starken Rolle des Pollione, muss an der Wiener Staatsoper gegeben sein.
Philharmoniker mit Ausbüglungs-Auftrag
Während das Gesangliche auf wackligen Beinen zu stehen schien, wirkte der Orchestergraben wie eine feste Burg, die alles zusammenhalten konnte. Gezähmt wurden die Musiker*innen von Michele Mariotti, und das gehörig. Das Orchester ist sonst ein Selbstläufer, aber um die Stimme des Baritons Flórez nicht zu übertönen, musste sie der Dirigent einige Male stark reduzieren. Schade.

Die Inszenierung: unaufgeregt, nett, Staatsopern-like.
Inszeniert hat Cyril Teste – das hat man auch gemerkt. Die traurigsten Momente werden (und davon lebt die Inszenierung) via Live-Kamera für das Publikum groß auf die Bühne übertragen. Man sieht Normas Tränen im Großformat, wie sie ihren Dolch zückt und um ihre Kinder schleicht. Es wird sehr persönlich und immersiv. Das Bühnenbild befindet sich in ständigem Wechselspiel. Mit Valérie Gralls Ruinen des Druidentempels, einer Markthalle und einem, in allen Grüntönen erstrahlendem Wald ist es für die Inszenierung getan.
Interessanter wird‘s nur noch bei der Kostümwahl von Marie La Rocca, die ihre Vision mit langen bunten Roben für den Chor verwirklicht. Sie setzt die Inszenierung mit konservativen Kleidern für die Frauenrollen und sonst relativ normaler Straßenkleidung der Herren in die konfliktreiche Zeit des frühen 20. Jahrhunderts. Nichts Aufregendes, nichts Gewagtes und nichts noch-Nie-Gesehenes.
Worum geht’s?
Es ist 1 v. Chr. und Gallien ist von den Römern besetzt. Die gallische Druidenpriesterin Norma geht trotz ihres Keuschheitsgelübdes und der Feindschaft der beiden Völker eine Liebesbeziehung mit dem römischen Prokonsul Pollione ein. Ihre beiden Kinder halten sie aufgrund undenkbarer Folgen geheim. Als Pollione sich in Adalgisa, eine junge Novizin, verliebt, versucht er, ihre Liebe zu gewinnen. Adalgisa befindet sich in einer prekären Situation: Sie möchte sich entgegen ihres Gelübdes seiner Liebe hingeben. Aus diesem Grund sucht sie Norma auf und erzählt ihr von ihrer Situation.
Norma fühlt sich an ihre eigene Situation erinnert und rät ihr, ihrem Herzen zu folgen. Als jedoch ans Licht kommt, dass es sich beim Liebhaber der beiden um ein und denselben Pollione handelt, kommt es zum Showdown. Es passiert, wie es passieren soll. Norma lässt die Gallier zusammenrufen und den Scheiterhaufen anzünden – für eine Druidin, die ihrem Glauben den Rücken gekehrt und ihr Gelübde gebrochen habe.
Als die große Frage gestellt wird, für wen der Scheiterhaufen nun gerichtet sei, offenbart sich Norma mit einer Selbstanklage. Sie lässt ihre Kinder in die Obhut Orovesos, einem der Druiden, und ergibt sich ihrem Schicksal. Von Liebe erfasst, löst sich Pollione von der zuschauenden Menge und folgt ihr in Richtung des Fegefeuers.
