Hildegard Knef-Revue – Theater Forum Schwechat ** Chansons, Tanz und kein Zauber

Sie war rauchig und tief, energisch und streng, sinnlich bis eigensinnig. Sie hatte ihre ganz eigene Melodie und passte in kein Raster. Hildegard Knefs Stimme zu beschreiben, ist nicht so leicht. Nicht umsonst galt sie auch als „die größte Sängerin ohne Stimme“. 

Noch schwerer ist es nur, diesen markanten Gesang nachzuahmen. Aber wenn man eine Aufführung besucht, die sich ganz dem Leben und Wirken der Sängerin und Schauspielerin verschrieben hat und noch dazu nach ihrem heute wohl bekanntesten Hit „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ benannt wurde, dürfte das nicht zum Problem werden. Sollte man meinen, oder? Bei der Premiere der musikalischen Revue im Theater Forum Schwechat – anlässlich des 100. Geburtstages der Künstlerin – wurde man eines Besseren belehrt. 

Knister*Wissen: Eine Revue ist eine Form der Bühnenunterhaltung, die aus einer Abfolge von musikalischen Darbietungen, Tänzen, Sketchen und Monologen besteht. Im Gegensatz zu traditionellen Theaterstücken oder Musicals muss sie keiner durchgehenden Handlung folgen; stattdessen werden verschiedene, oft thematisch verbundene Nummern präsentiert. 

„Für mich soll’s rote Rosen regnen“ – oder so.

Damit soll keinesfalls gesagt sein, dass die Schauspielerin und künstlerische Leiterin Manuela Seidl nicht singen kann. Im Gegenteil: Sie schickt ihre Stimme mit viel Gefühl und Leidenschaft Richtung Publikum. Glockenklare und vor allem hohe Töne treffen das Mikrofon. Allerdings sind diese viel zu zart, um denen einer Hildegard Knef zu entsprechen. 

Und genau das ist der Punkt: Seidl spielt einfach in einer anderen Stimmlage. Chansons wie „Aber schön war es doch“ oder „Von nun an ging’s bergab“ klingen bei ihr nicht so vollmundig, rau und effortless, wie man es sich erwarten oder wünschen würde, sondern wirken eher bemüht. Daran konnte auch ihr Überangebot an Mimik nichts ändern. Ebenso wenig der hervorragende Pianist und musikalische Leiter Gabor Rivo am Klavier, der Seidl manchmal sogar fast übertönte.

Besser getroffen hat es hingegen ihr Mitspieler Christian Graf, Darsteller und Intendant der Nestroy-Spiele. Er erwischte die tiefen Tonlagen zielsicherer und konnte das Kantige an Knefs Chansons überzeugender einfangen. Seine kraftvolle Klangfarbe als Ass im Ärmel. #slay

Manuela Seidl und Christian Graf (c) Mirjam Koch

Miteinander statt Gegeneinander

Aber es war ja auch kein Wettstreit zwischen den beiden. Eher ein Miteinander. Graf und Seidl tauschen die Rollen hin und her, mal sind sie die „Neff“ – wie Knef in der US-amerikanischen Filmbranche auch genannt wurde – dann Erzähler*innen. Mal verkörpern sie deren Freundin Marlene Dietrich, die ihr oft wie „eine ältere Schwester“ war, um gleich danach für die nächste der zahlreichen Gesangseinlagen zum Mikrofon zu rauschen und anschließend eng umschlungen (und in quietschenden Schuhen) über die Bühne zu tanzen.

Insgesamt ist der Funke nicht wirklich übergesprungen (zumindest nicht auf mich, viele im Publikum fanden es toll). Obwohl die Begeisterung des Ensembles durchaus spürbar war, hat mich das Schauspiel nicht mitgerissen: Da war keine Gänsehaut, keine Ergriffenheit, ich hab’s einfach nicht gefühlt.

Auch vom Bühnenbild hatte ich mehr erwartet. Links und rechts am vorderen Bühnenrand standen die Mikrofone – daneben an der Wand waren Leinwände angebracht, die bei den Gesangsdarbietungen unangenehm hell aufleuchteten. Zwischen und hinter den Mikros: Leere und blanker Boden. Im hintersten Drittel waren zwei voneinander abgetrennte Räume mit ein paar antik wirkenden Möbeln ausgestattet. Das Arrangement hat auf mich lieblos und kalt gewirkt. Mehr Details hätten nicht geschadet. 

Ein Stück legendäre Geschichte

Das eigentlich sehr turbulente Leben der Knef – von gescheiterten Beziehungen, dem Er- und Überleben des 2. Weltkrieges, den Erfolgen und Misserfolgen mit ihren Filmen, Platten oder Büchern in Deutschland und Hollywood bis hin zur Krebserkrankung – ließ mich in der Inszenierung erstaunlicherweise ziemlich kalt. Dafür hat das Stück alle Lebensabschnitte zu chronologisch abgehandelt, verweilte bei manchen länger, streifte andere kürzer. Trotz Audiomitschnitten von Knefs Originalstimme und Auszügen aus ihren Büchern und Briefen blieb es gleichzeitig aber zu oberflächlich und sparte mit tiefsinnigen Dialogen (Buch, Regie und Raum: Marius R. Schiener). Insgesamt erinnerte es an Stationenbetrieb: Ein bisschen Text und Schauspiel da, dann viel Gesang und etwas Tanz dort. Danach das Ganze wieder von vorn. Zack, zack, zack.

Flott und quietschend übers Tanzparkett (c) Mirjam Koch

Unterhaltsame Stellen gab es trotzdem. Zum Beispiel, als davon berichtet wird, wie Knef zu Kriegsende vor den Russen aus Berlin fliehen musste,getarnt als männlicher Soldat, um sich vor Vergewaltigern zu schützen. Diese Geschichte hielt sie in ihrer Autobiografie „Der geschenkte Gaul. Bericht aus einem Leben“ fest. Gut, das klingt bis jetzt wenig unterhaltsam. Aber das änderte sich plötzlich, als auf die Frage, ob sich diese Story tatsächlich so abenteuerlich zugetragen hatte wie beschrieben, der „Akte X“-Soundtrack eingespielt wurde. 

Mein Fazit? Vielleicht ist eine Revue nichts für Biografien…

Vielleicht ist es auch das Format der Revue, das mir sauer aufstößt. Denn anders als ein klassisches Theaterstück muss sie keiner stringenten Rahmenhandlung folgen und darf Musik, Tanz und Wortspenden abwechslungsreich miteinander mischen. Womöglich eignen sich bewegte Biografien aber auch nicht für diese Art der Darbietung. Zumindest dann nicht, wenn man damit tiefere Emotionen vermitteln möchte. 

Mehr Fokus auf prägnante Ereignisse und Straffung hätten dem Stück gut getan. Dass der titelgebende Chanson „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ direkt in den Anfangsminuten verpulvert wurde, war auch eher suboptimal. Denn das war es auch schon fast mit Höhepunkten. Und das bei einer Spieldauer von rund 105 Minuten. In dieser Länge und Intensität ist das vor allem für Hildegard-Knef-Ultras interessant. Für andere, die sich nur näher mit der Künstlerin beschäftigen wollen, doch etwas too-much. Eingefleischte Fans werden sich von dieser Inszenierung aber auch eher nicht abgeholt fühlen, denn die Aufführung hat bewiesen: Der Zauber der Knef ist unnachahmbar.

Manuela Seidl und Christian Graf (c) Mirjam Koch

Deep Dive: Wer war Hildegard Knef?

Hildegard Knef, geboren am 28. Dezember 1925 in Ulm, war eine deutsche Schauspielerin, Sängerin und Schriftstellerin. Eigentlich begann sie eine Ausbildung zur Trickfilm-Zeichnerin, startete ihre Karriere dann aber als Schauspielerin. Internationale Aufmerksamkeit erlangte sie durch ihre Rolle im ersten deutschen Nachkriegsfilm „Die Mörder sind unter uns“ (1946). Ein weiterer bedeutender Film war „Die Sünderin“ (1951), der aufgrund einer kurzen Nacktszene einen der größten Skandale des deutschen Nachkriegskinos auslöste.

Nachdem Knef Deutschland 1948 (das erste von mehreren Malen) verlassen hatte und nach Hollywood zog, lernte sie die Diva Marlene Dietrich kennen. In der internationalen Filmszene wurde Hildegard Knef oft einfach „die Neff“ genannt, da dieser Name in den USA leichter auszusprechen war. Ein bemerkenswerter Aspekt war 1955 ihr Debüt am Broadway in dem Musical „Silk Stockings“ (Ninotschka) von Cole Porter, womit sie zur einzigen Deutschen wurde, die in einer Hauptrolle am Broadway debütierte. 

Knister*Wissen: Das Chanson ist eine traditionelle französische Liedform, die sich durch poetische und ausdrucksstarke, lustige sowie satirische Texte auszeichnet. Der Begriff „Chanson“ bedeutet im Französischen schlicht „Lied“ und umfasst verschiedene musikalische Epochen und Stile. Eine besonders bekannte Chanson-Sängerin ist Edith Piaf. Seinen Ursprung hat das Chanson im Mittelalter. Das deutsche Chanson zeichnet sich durch seine enge Verbindung von Musik und Lyrik aus, wobei oft gesellschaftskritische und politische Themen behandelt werden. Während der NS-Zeit geächtet, wurden Chansons ab den 1950er-Jahren wieder populärer, beispielsweise im Kabarett. 

1957 kam Knef zurück in die deutsche Heimat, wurde dort – vor allem aufgrund ihrer internationalen Erfolge – in den 60er-Jahren als Autorin und Sängerin bekannt. Erfolge feierte sie mit Liedern wie „Er war nie ein Kavalier“. Viele der Lyrics, auch für ihr wohl berühmtestes Lied „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ (1968), schrieb sie selbst. Ella Fitzgerald bezeichnete sie als „beste Sängerin ohne Stimme.“

Mit 19 Jahren hatte Knef eine Beziehung mit dem Nazi Ewald von Demandowsky, dem Produktionschef der Tobis-Filmgesellschaft. Diese Liaison wurde ihr später oft vorgeworfen. Nach dem Krieg heiratete sie 1947 den jüdischen US-Offizier Kurt Hirsch. Danach war sie noch zweimal verheiratet – zunächst mit dem britischen Schauspieler David Cameron. Zusammen bekamen sie eine Tochter – Knef gebar Christina Antonia „Tinta“ mit 43 Jahren.

Anschließend war sie bis zu ihrem Tod mit Paul Rudolf Freiherr von Schell zu Bauschlott verheiratet. Hildegard Knef verstarb am 1. Februar 2002 in Berlin an den Folgen einer akuten Lungenentzündung. 

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