In ihrem neuen Solokabarett „Rettet die Teetassen“ arbeitet sich die einstige Tänzerin an ihrer Generation und an latenter Misogynie ab.
Kabarett statt Cabaret, Kinderlieder statt Cancan, Stilleinlagen statt Nippelsternchen: In den vergangenen zwölf Jahren hat sich das Leben der Katrin Immervoll ziemlich verändert. Sie hat sich unter ihrem Künstlernamen Katie La Folle eine Solokarriere als seriöse Bühnenkünstlerin aufgebaut, statt oben ohne im Pariser Nachtclub tritt sie jetzt im weiten Rock im Wiener Theater am Alsergrund oder im Linzer Posthof auf – und, am wichtigsten: Sie ist jetzt Mutter. Aber nicht nur das: Dank Patchwork ist sie sogar Stiefmutter. STIEFMUTTER!!!! Was für ein Wort! Was für eine Märchenfigur! Drama, Baby!
Man(n) darf sich auf einiges gefasst machen, wenn man Katie La Folles neues Programm „Rettet die Teetassen“ besucht – denn eine beschauliche Teeparty wird es definitiv nicht. Dazu ist sie immer noch zu viel Showgirl (sie war nicht nur 2012 ein Jahr als Revue-Tänzerin in Paris engagiert, sondern danach auch mit „The Fantastic Shadows“ auf Tournee in Deutschland, Russland und der Ukraine sowie bei „Aquaria“ in Großbritannien, spielte aber auch 2019 an der Wiener Volksoper in „Orlando“ mit). Und diesem Showgirl lässt sie auf der Kabarettbühne freien Lauf. Das ist laut. Das ist extrovertiert. Das ist aber auch offenherzig, ehrlich und authentisch.
Wir leiden mit.
Vor allem ist es die für Katie La Folle passendste Art und Weise, ihre Botschaft unters Volk zu bringen, die sich mit einem Wort zusammenfassen lässt: Feminismus. Aber nicht mit erhobenem oder gar „auf die schlimme Männerhand“ klopfendem Zeigefinger, sondern so launig verpackt, dass man(n) gar nicht anders kann, als zum Frauenversteher zu werden. Zwei Stunden lang nimmt sie ihr Publikum mit in die Welt einer mit 37 Jahren eigentlich noch jungen Frau, die auf dem Papier als risikoschwangere Spätgebärende schon mehr der gynäkologischen Geriatrie zugeordnet wird.
Sie hadert mit allen Dingen, die die Mutterschaft (beziehungsweise das Leben als Frau an sich) so mit sich bringt. Trotz allem würde sie ihre Rolle als zweifache Patchwork-Mutter gegen nichts in der Welt eintauschen wollen – und findet es echt traurig, im Jahr 2024 immer noch betonen zu müssen: „Das äußere weibliche Geschlecht heißt Vulva. Nicht Vagina, Scheide, Mumu, Fifi, Möse oder Schlitzchen. Einfach nur Vulva.“ Weshalb sie der Vulva gleich einen eigenen Song widmet. Aber weil Feminismus und Emanzipation nicht umgekehrten Sexismus bedeuten, gibt es auch einen Würstchen-Song. Und einen wertvollen Hinweis: „Kein Penis ist so lang wie ein ganzes Bein. Auch nicht im erigierten Zustand.“
Zerbrechliche Teetassen
Aber die latente Misogynie, mit der junge Frauen auch heute noch konfrontiert sind, ist nicht das einzige Thema, das Katie La Folle umtreibt. Sie setzt sich auch mit ihrer Generation auseinander – und damit wären wir beim Titel ihres Programms. Denn die Teetassen, das sind die Millennials und ihre Kinder, die vor lauter Sich-den-Kopf-über-die-Welt-zerbrechen selbst ganz zerbrechlich geworden sind, die sich Sorgen über Dinge machen, die für die Boomer in den Siebzigern und Achtzigern noch bombastische Errungenschaften waren, die ihre Kinder in Wolle/Seide-Windeln wickeln statt in Plastikbomber, in der Passivhaus-Wohnung auf der Kücheninsel vegane Smoothies mixen und ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn sie kein Lastenrad besitzen.
Das alles passiert natürlich mit viel Selbstironie, aber gar nicht so weit weg von der Wahrheit. Das Alter Ego, das sie hier auf die Bühne stellt, ist zu 95 Prozent „just me“, wie sie im Gespräch mit kultur*knistern bekennt. Die größte Herausforderung beim Schreiben dieses Programms war, „dass mich so viele Themen bewegt und auch zur Verzweiflung gebracht haben, was alles passiert in der Welt – wie bringt man das gut auf die Bühne?“ Weil mit Musik „alles ein bisschen leichter zu verdauen ist“, hat eben zum Beispiel die Vulva ihren eigenen Song bekommen.
Leichtigkeit in der Verzweiflung
Und das Schöne an ihrem Programm ist, dass sie knallharte Themen von Zukunftsangst bis Sexismus so anpackt, dass in all ihrer melodramatischen Verzweiflung, die sie da auf die Bühne bringt, doch eine gewisse Leichtigkeit mitschwingt. So lässt man sich gern als Mann vom Feminismus überzeugen. Bleibt die Frage: Welcher Tee in der zerbrechlichen Porzellantasse wäre Katie La Folle? Ihre Antwort: „Ein Earl Grey – oder ein Chai Latte.“
Termine:
21. Dezember 2024, 19:30 Uhr @ Theater am Alsergrund
24. Jänner 2025, 19:30 Uhr @ Theater am Alsergrund
26. März 2025, 20:00 Uhr @ Kulisse Wien
Tickets ab 17 Euro, Mehr Infos hier.