Der rote Samtvorhang ist beleuchtet, von den Seiten nähern sich Säulen, bestückt mit vielen bunten Blumen und erzählen uns etwas. Wait what?
Als ehemalige Opernball-Demonstrantin stand sie früher auf der anderen Seite der Absperrung. Aber für die Kunst und die Kultur schmeißt sie sich in Schale, um in der Menge nicht als Außenseiterin aufgedeckt zu werden.
Besuch bei Blumen und Brötchen
In dem Stück “Opernball – Walzer, Wein und Wohlstandsbauch” von Stefanie Sargnagel geht es drunter und drüber. Es ist ein Bericht vom Opernball Besuch der Autorin im Jahr 2024. Wir werden den Abend über durch die Nacht des Opernballs mitgenommen, vom Eingang mit Red Carpet, zu der Eröffnung, den Tischreservierungen, den verschiedenen Bars hin zu “Alles Walzer” und den Reichen in den Logen.

Der Ball der Bälle – der Trash der Tradition
Als ehemalige Opernball-Demonstrantin stand sie früher auf der anderen Seite der Absperrung. Aber für die Kunst und die Kultur schmeißt sie sich in Schale, um in der Menge nicht als Außenseiterin aufgedeckt zu werden. So erfahren wir immer wieder, wie die Gäste über die anderen Gäste reden: “Ist die wer?” “Der ist niemand.” “Der G’spritze ist schon 0,50€ billiger als letztes Jahr, bald haben wir ganz Simmering hier”.
Der Ball der Bälle wird immer trivialer. Vor allem wenn Richard Lugner antanz, mit seinem internationalen Star, deren Namen er nicht richtig aussprechen kann. Da nicht alle in den Saal passen, wird die Eröffnung auch in-house auf Bildschirmen übertragen. Hier kann es sehr ausgefallen werden, vor allem wenn man da jemanden, der glaubt was zu sein, die Sicht auf den Bildschirm verdeckt.
Wenn der Anus glitzert, duftet es nach Rosen
Wir folgen der Autorin und ihrer Gruppe – ein intellektueller Museumswächter mit einem Rucksack voll an Recherche und einer Kellnerin aus dem Stammbeisl – die Nacht über durch die verschiedenen Ebenen des Opernballs.
Es beginnt mit dem roten Samtvorhang (Bühnenbild: Dominique Wiesbauer) und geht weiter zu einer silber glitzernden Wand, die mit der Zeit immer tiefer hängt und immer mehr zu schleimen anfängt. Bis am Ende eine ovale Öffnung auf der Bühne erscheint. Man merkt fast zu spät, dass man buchstäblich in die Abgründe des menschlichen Hinterausgangs gekrochen ist. Passend zum Verdauungstrakt finden wir hier auch ein menschengroßes Punschkrapferl und eine riesige Leberkässemmel, aus deren innerem Glitzer herausquillt.

Punk-Musik, Party und 30-Euro-Würstel
Musikalisch untermalt wird dieses Spektakel von der Punk-Bank Salò (An dieser Stelle eine große Empfehlung für den gratis Gehörschutz vor Ort – es wird laut!) ). Dadurch geraten auch die wundervoll mit Blumen dekorierten Säulen immer wieder in Partystimmung. Es wird getanzt und gelacht, die guten und wahnwitzigen Eindrücke und Geschichten werden zum Besten gegeben.
Eine tolle Spielleistung. Der Wechsel zwischen der sozial “unteren” und “gehobenen” Schicht wird zwischen den 4 Schauspieler*innen schnell hin und her gewechselt. Sie sprechen im Chor oder alleine, alle Phrasen und Eindrücke hallen durch das Theater. Es ist fast so, als wäre man selbst dort gewesen. Von den Phasen der Aufregung,dem “ich-weiß-nicht-was-man-machen-soll” und sem “hoffentlich-checkt-niemand-dass-ich-nicht-hier-sein-sollte” zu kurzfristiger Langeweile und Not nach Getränken und Essen. 30€ für ein paar Würschtel ist je eh nicht so teuer, für so einen speziellen Anlass.

Politik darf natürlich nicht fehlen
Bis sie zum Schluss auf die politischen Tänzer*innen trifft – eine Frauenministerin, ein interimistischer Bundeskanzler und diverse andere Größen der österreichischen Politik. Die Ministerin ist fast nicht zu erkennen, weil sie ja wirklich rein gar nichts macht. Dann ist da noch ein kleiner Wicht, der außen an den Logen entlang klettert und seine Blase in Richtung Parkett entleert.
Eine bunt erzählte Szene eröffnet sich hier. Ein kurzer Blackout und unsere Erzählerin erwacht auf den Stiegen beim Würstelstand gegenüber der Oper – tätowiert mit dem Industriellen-Logo. Wie schnell man in den Strudel der Reichen und Mächtigen gesogen wird und schließlich von der mächtigen Maschine der Gesellschaft der Reichen wieder ausgespuckt wird…
Wenn man unabsichtlich doch dazu gehört
Das Gefühl, nicht richtig an dem Ort zu sein, aufgedeckt zu werden und der Versuch, sich unter den gehobenen Pöbel zu mischen – während die Reichen darüber reden, wie viel billiger und heruntergekommener der Ball jedes Jahr wird. Am Ende kann hier noch wirklich jeder herkommen, wo soll das enden? In diesem Fall endet es ganz ausgezeichnet: auf der Bühne im Rabenhoftheater. Der Abend ist eine perfekte Mischung aus sich darüber lustig machen und irgendwie auch Teil davon zu sein.
Ein unfassbar witziger und politisch pointierter Abend, der wahnsinnig schnell vorbeigeht. Ein Witz folgt auf den anderen, man hat fast keine Zeit sich zu fragen: Ist das Bühnenbild nicht vielleicht doch eine Rose und kein Arschloch? Wobei diese Schleimspur sich doch mehr auf Letzteres bezieht als auf die Blume. Und Blumen sind an dem Abend bereits ausreichend vertreten.

Opernball – Walzer, Wein und Wohlstandsbauch
Von Stefanie Sargnagel, Regie von Christina Tscharyiski, Bühnenbild: Dominique Wiesbauer
mit Laura Hermann, Martina Spitzer, Skye MacDonald und Jakob Gühring, Live-Musik: Salò
Premiere am 25.02.2025 – gesehen am 5.3.2025.
Mehr Infos gibt’s hier.