Maria Lacković alias Malarina erklärt, was hinter ihrer Bühnenfigur in “Trophäenraub” steckt und was sie mit ganz vielen verzweifelten, realen Frauen verbindet.
Malarina hat ein Lebensziel: eine Villa in Hietzing. Weil sich die mit ihrer aktuellen finanziellen Notlage nicht vereinbaren lässt, fasst sie einen Plan. Sie will sich einen reichen “Schwabo”-Mann angeln, den sie später beerben kann. Was eine Melania Trump konnte, das kann eine Malarina schon lange. Sie wird zur “Trophäenfrau”. Das ist die Ausgangslage für das zweite Kabarettsolo von Marina Lacković alias Malarina. Sie spielt zwar nicht sich selbst, setzt aber ein Alter Ego auf die Bühne vor den Schminkspiegel.
“Ich thematisiere mit meinem Programm die Vermögensverteilung, das Erbrecht, und es ist einfach der Faktor Arbeit unglaublich hoch besteuert im Vergleich zum Kapital. So kann kein Ausgleich stattfinden.” – Marina Lacković
“Trophäenraub” heißt das Programm, das am 7. März Premiere hatte. Es geht nicht nur um Begrifflichkeiten wie “Schwabos” und “Tschuschen” im Speziellen, sondern auch um Vermögensungleichheit im Allgemeinen. Im Interview mit “kultur*knistern” erklärt Marina Lacković, warum ihre überzeichnete Bühnenfigur trotzdem authentisch ist, wie schwierig das zweite Programm nach ihrem gefeierten Debüt “Serben sterben langsam” (2019) war und warum sie nicht noch ein Programm über die FPÖ machen wollte.
Knister*Wissen: Als “Schwabo” werden vor allem Deutsche bzw. deutsche Verhaltensweisen bezeichnet. Der Begriff leitet sich ursprünglich von den Donauschwaben ab. “Tschusch” ist währenddessen ein abwertendes Wort aus der österreichischen Umgangssprache für Ausländer aus Südosteuropa, das mitunter insbesondere von Ex-Jugoslaw*innen als ironische Selbstbezeichnungen benutzt wird. Liebe Österreicher*innen, bitte verwendet dieses Wort nicht.
„Zu den obersten Zehntausend kannst du es mit Arbeit fast nicht mehr bringen. Da musst du erben.“
kultur*knistern: Ist deine Bühnenfigur im neuen Programm “Trophäenraub” identisch mit der aus deinem Debüt “Serben sterben langsam”?
Marina Lacković: Nein, es ist nicht dieselbe. Diesmal ist es keine FPÖlerin, sondern eine Opportunistin, die einfach nach einem angenehmen Leben sucht.
Boshaft könnte man behaupten, dass deine Bühnenfigur zu faul für ehrliche Arbeit ist und sich lieber ins gemachte Nest setzen möchte. Oder tut man ihr damit unrecht?
So platt ist es nicht. Sie hat einerseits finanzielle Schwierigkeiten und andererseits ein Lebensziel, wo sie erkennt, dass sie es nur durch Erben erreichen kann. Natürlich sind ihre Schwierigkeiten nicht annähernd so schlimm wie die, die jene Frauen haben, die üblicherweise diesen Weg gehen. Aber es sind halt so viele Schwierigkeiten, wie sich in einem Kabarettprogramm ausgehen. Sehr viele Frauen, die im wahren Leben diesen Weg gehen, haben Kinder und/oder Eltern, die sie versorgen müssen, oft einen ungeklärten Aufenthaltsstatus. Ihr Motiv ist jedenfalls sicher nicht Faulheit. Meine Figur ist natürlich überzeichnet. Man darf nicht vergessen: Nicht einmal Melania Trump hatte einen geklärten Aufenthaltsstatus, als sie ihren Mann kennengelernt hat. Sie hätte sonst auch ihre Eltern nicht nachholen können.
„Meine Botschaft ist, dass Feminismus kein Stock ist, mit dem Frauen einander gegenseitig schlagen sollten. Dass Frauen in unterschiedlichen Lebenssituationen Verständnis füreinander aufbringen sollten. Dass man sich nicht erhöhen kann über eine andere Frau.„ – Marina Lacković
Normalerweise würde man ja eher dazu neigen, solche Trophäenfrauen zu bemitleiden, weil sie in einem Abhängigkeitsverhältnis sind – siehe den Extremfall von Bianca Censori. Aber dem hältst du die Skizze einer starken Frau entgegen, die das Heft selbst in der Hand hält. Wie groß ist die Gefahr, sollte ihr Plan aufgehen, dass sie letztlich doch zum schwachen Weibchen an der Seite eines Machos degradiert wird?
Meine Figur scheitert eh. Sie ist ein mahnendes Beispiel, sich nicht in ein Abhängigkeitsverhältnis zu begeben, weil man sonst nach der nächsten Abhängigkeit suchen muss und nicht rauskommt.
Was ist da die Lösung? Hast du eine parat?
Ich finde nicht, dass Kabarett immer eine Antwort liefern muss. In erster Linie wirft es Fragen auf. Es ist so eine gewisse Ratlosigkeit, die ich mit dem Publikum teile.

Aber du hast ja sicher zumindest einen Wunsch an Gesellschaft und Politik, wie man es besser machen könnte.
Nun, der Wunsch, der da hervorgeht, hat mit dem Umgang mit Kapital und Vermögen zu tun: nämlich damit, dass meine Figur das, was sie sich in den Kopf gesetzt hat, durch ehrliche Arbeit nie erreichen kann. Natürlich sind es Lebensziele, die nicht jeder hat. Also eine Villa in Hietzing bräuchte ich privat auch nicht unbedingt.
Aber sich keine Sorgen um die Miete machen zu müssen, ist schon ein allgemeiner Wunsch.
Klar. Ich thematisiere mit meinem Programm die Vermögensverteilung, das Erbrecht, und es ist einfach der Faktor Arbeit unglaublich hoch besteuert im Vergleich zum Kapital. So kann kein Ausgleich stattfinden. Was schon stimmt, aber was auch nicht jeden Menschen unglücklich macht: Zu den obersten Zehntausend kannst du es mit Arbeit fast nicht mehr bringen. Da musst du erben. Und das erkennt meine Bühnenfigur. Aber wie gesagt, es ist halt ein Kabarettprogramm, da ist nicht alles so ernst. Natürlich hätte ich ihr auch ein realistischeres Lebensumfeld geben können, zum Beispiel ein Kind oder kranke Eltern, aber das geht sich in einem Kabarettprogramm, das auch lustig sein soll, so schwer aus.
Das wäre dann ein bisschen gar depressiv.
Genau. Darum habe ich ihre Probleme so angelegt, dass sie auch ein bisschen selber schuld ist an ihrer Situation.
„Man konnte entweder die Frau eines Oligarchen sein oder zwölf Stunden in der Fabrik stehen.“
Die Vermögensungleichheit ist bekanntlich auch eine Geschlechterungleichheit. Ist es ein feministisches Programm?
Ja, sicher. Die Figur sieht sich selbst als Antifeministin. Aber meine Botschaft ist, dass Feminismus kein Stock ist, mit dem Frauen einander gegenseitig schlagen sollten. Dass Frauen in unterschiedlichen Lebenssituationen Verständnis füreinander aufbringen sollten. Dass man sich nicht erhöhen kann über eine andere Frau. Dass es egal ist, ob eine Frau sich schminkt oder nicht, wie sie sich präsentiert. Und dass das aber ganz viele Annahmen bei anderen Menschen verursacht. Und in der zweiten Hälfte erklärt die Figur, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass man sich als Feministin so viel schwerer tut, als wenn man mit dem Patriarchat schwimmt.
Das ist eine Bestandsaufnahme, die einfach nur zeigt, wie die Gesellschaft gerade ist. Sehr für das Programm inspiriert hat mich dieser Neotraditionalismus, den ich verstärkt beobachte. Nicht nur bei Migra-Frauen, sondern generell. Dieses Zurückgehen zu diesem Rollenverständnis, das ich nicht nachvollziehen kann. Dass meine Bühnenfigur Balkanerin ist, hat natürlich auch damit zu tun, dass Trophäenfrauen oft aus den ost- und südosteuropäischen Ländern gewählt werden. Und bei der Recherche ist mir aufgefallen, dass das auch Gründe hat, wie zum Beispiel die Politik der kommunistischen Länder in der Vergangenheit, in denen es ja Enteignungen gab und somit keine Superreichen.
Und dann sind mit dem Fall des Kommunismus plötzlich die Oligarchen aufgetaucht, die sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtigen Dinge gesichert haben.
Genau. Und man konnte entweder die Frau eines Oligarchen sein oder zwölf Stunden in der Fabrik stehen.
War die Premiere am 7. März, einen Tag vor dem Frauentag Zufall oder Absicht?
Zufällige Absicht. Der Termin hat mich sehr gefreut, allerdings war der Frauentag ein Samstag, und der Freitag war besser für die Presse.

Apropos Trophäen: Schon mit deinem Debüt “Serben sterben langsam” hast du mehrere Preise eingeheimst: 2022 beim Österreichischen Kabarettpreis, 2023 beim Salzburger Stier, 2024 beim Deutschen Kleinkunstpreis und beim Mindener Stichling. Wo stehen die denn jetzt?
Sie stehen in meinem Bücherregal nebeneinander, und ich staube sie regelmäßig ab.
Ist es mehr Erfolgsdruck oder mehr positive Motivation, die daraus erwächst?
Das ist schwer zu sagen. Für mich als Mensch, der für sich keinen Bühnenplatz beansprucht hätte, weil ich eine Bühnenausbildung habe und sich alles glücklich gefügt hat, bedeutet diese Anerkennung sehr viel, und ich schätze sie sehr. Der Druck für dieses zweite Programm war aber enorm, weil das erste Programm bestellt halt keiner bei dir. Da denkst du dir: Ich bin heute niemand – wenn das Programm nix ist, bin ich morgen wieder niemand.
Aber plötzlich warst du jemand.
Ja, und beim zweiten Programm hast du plötzlich das Gefühl, jemand könnte dir was wegnehmen. Das hast du beim ersten nicht, weil du ja nichts hast. Es ist psychologisch schwer, ein zweites Programm zu machen. Weil sich da zeigt, ob die Branche dich leben lässt. Mir haben auch befreundete Musikerinnen gesagt, dass das zweite Album das schwierigste ist.
„Ich glaube nicht, dass es so einen Personenkult und eine Glorifizierung wie bei Strache gibt.“
Du gehörst eigentlich einer Minderheit an: als Frau, die politisches Kabarett macht. Das ist ja schon bei den männlichen Kollegen selten geworden, die meisten konzentrieren sich heute lieber auf persönliche Alltagskomik. Kannst du nachvollziehen, dass sie diese Urform des Kabaretts in Österreich eher meiden?
Ich finde Eskapismus an sich okay. Es spricht auch nichts dagegen. Mir selbst liegt es weniger, unpolitische Witze zu schreiben. Ich würde auch nicht jedem, der kein politisches Kabarett macht, ein Vermeiden unterstellen. Ich glaube, es gibt halt auch Leute, die Politik nicht genug interessiert, um sie auf die Bühne zu bringen. Außerdem will sich nicht jeder politisch outen wie ich mit meiner Figur.
Es heißt ja auch oft, die Politik sei selbst zu viel Kabarett.
Was sich tatsächlich derzeit schwer ausgeht, ist ein parteipolitisches Tourprogramm, weil sich keiner so lange etabliert hat, dass er als Aufhänger dienen kann. Bei Heinz-Christian Strache oder Sebastian Kurz wusstest du, die sind in fünf Jahren nicht vergessen. Aber wenn Andreas Babler irgendwann heuer wieder weg wäre, könnte ich dann nächstes Jahr noch über ihn reden?
Oder: Wer ist Christian Stocker?
Genau. Im ersten Programm hat sich das Tagespolitische auf die letzten zehn Minuten beschränkt, da habe ich immer etwas Aktuelles reingenommen. Das hätte ich jetzt auch wieder machen können. Nur hat sich im neuen Programm viel mehr angeboten, Gesellschaftspolitik und Strukturen der Vermögensverteilung zu beleuchten. Es ist also schon auch politisch, und es kommen bekannte Personen vor, aber ich habe diesem Land das Bildungsangebot gemacht, die Irrwege der FPÖ zu erklären. Ich fühle mich nicht verantwortlich, dass sie die Wahl gewonnen haben. Ich weiß auch nicht, was ich noch machen soll.
2019 hat der “Standard” getitelt: “Serben und die FPÖ – das Ende einer Zweckbeziehung”. Wie siehst du heute das Verhältnis zwischen den Rechten und der serbischen Bevölkerung in Österreich?
Ich glaube nicht, dass es so einen Personenkult und eine Glorifizierung wie bei Strache gibt. Gott sei Dank sind Serben keine homogene Masse. Es gibt welche, die Herbert Kickl gut finden, und welche, die ihn kacke finden. So angebiedert wie Strache hat er sich jedenfalls nicht.
Ein Vorwurf gerade gegenüber südländischen Migrant*innen in Österreich lautet, dass sie dazu neigen, selbst xenophob zu sein, wenn es um Einwanderung aus anderen Weltgegenden geht.
Das hat damit zu tun, dass die FPÖ als vermeintliche Arbeiterpartei ihnen das Gefühl gibt, dass sie selbst nicht gemeint sind, wenn es um “die Ausländer” geht. Islamophobie ist da auch ein Thema. Aber auf der anderen Seite, wenn ich mir anschaue, wie viele Türken die AfD wählen – es ist wirklich schräg alles mittlerweile. Ich frage mich ja, ob die Serben, die den FPÖ-Sprech übernehmen, dann überhaupt zur Wahlurne schreiten oder bloß am Stammtisch groß reden.
Oder wie viele von ihnen überhaupt wahlberechtigt sind.
Ja, das ist natürlich auch die Frage. Ich finde es jedenfalls nicht gut, dass man anderen so einen schweren Start wünscht, wie man selber hatte. Die sind auch teilweise ein bisschen neidisch: “Warum hatten wir damals keine Deutschkurse? Warum gab es das und das bei uns nicht?” Aber man sollte nicht Progress vermeiden, nur weil man selbst etwas nicht hatte. Aber der Mensch ist leider so. Genauso wie leider viele nicht den Grundsatz beherzigen: “Schätze das Eigene und achte das Fremde.”
Marina Lacković wurde in Serbien geboren und ist in Innsbruck aufgewachsen. Seit 2011 ist sie Wahl-Wienerin, seit 2019 glänzt sie als Star auf dem Kabaretthimmel Österreichs und sahnt einen Preis nach dem anderen ab. Aktuell tourt sie mit ihrem neuen Programm „Trophäenraub“ durch Österreich, Infos & Termine gibt’s hier.
Zum Einstimmen: Malarina bei den Pratersternen!