Das ON THE EDGE Festival zeigt seit 2020 experimentelle Zirkuskunst in Wien. Klassische Disziplinen wie Akrobatik oder Jonglage werden hier neu gedacht und mit anderen Kunstformen kombiniert. Alle Performances verbindet dabei eine Frage: Was ist eigentlich Zirkus?
Wir haben mit dem künstlerischen Leiter Arne Mannott gesprochen. Arne Mannott ist Künstler und Kurator mit einem Hintergrund in Zirkus, Tanz und bildender Kunst sowie einem akademischen Abschluss in Philosophie und Politik. Er ist Gründer und künstlerischer Leiter des Wiener Festivals ON THE EDGE – festival für experimentelle zirkuskunst. Als Kurator und Dramaturg entwickelte er verschiedene Kreations- und Performanceformate und arbeitete für Festivals, Institutionen und Künstler:innen.
Vom klassischen Zirkus hin zum Experimentellen – how did that happen?
Ich war in einem Kinderzirkus, in einem Jugendzirkus, habe eine Zirkusausbildung genossen und habe mich dann quasi mein Leben lang irgendwie mit Zirkus und Zirkuskunst beschäftigt. Ich bin von Haus aus Jongleur und habe mich viele, viele Jahre, eigentlich Jahrzehnte, damit beschäftigt. Irgendwann stand ich so ein bisschen an und habe mir gedacht, ich würde gerne irgendwie was Neues machen mit dieser Kunst – ein bisschen weg vom Spektakel, um das so mal ganz plump zu sagen – und habe dann experimentiert mit anderen Kunstsparten. Ich habe recht viel Jonglage mit Tanz oder mit bildender Kunst verbunden, weil ich einfach die Zirkuskunst so ein bisschen weiterentwickeln und weiterdenken wollte.
Und dann kam ON THE EDGE?
Wir haben 2018 eine Produktion von mir gezeigt, damals noch bei WUK performing arts, und die damalige künstlerische Leiterin Esther Holland-Merten hatte gleich Lust auch noch andere Zirkusproduktionen einzuladen. Da haben wir so ein kleines Try-Out-Wochenende ausprobiert mit vier Produktionen. Das hat so gut funktioniert, dass wir gedacht haben, machen wir doch weiter und machen daraus ein Festival.
Wenn ich mich richtig erinnere haben wir, der Pandemie geschuldet, die erste offizielle Ausgabe des Festivals abgesagt. Aber natürlich quasi nur nach außen hin. Intern haben Künstlerinnen in unseren Räumen, Studios und im Theatersaal arbeiten dürfen. Wir haben uns nicht entmutigen lassen, würde ich behaupten, und haben einfach weitergemacht.
Experimenteller Zirkus – was ist das eigentlich?
Experimenteller Zirkus sind eigentlich die klassischen Zirkusdisziplinen, die wir so landläufig kennen, so wie Akrobatik, Jonglage oder Luftakrobatik, aber neu gedacht und vor allen Dingen auch kombiniert mit anderen Kunstformen. Also zum Beispiel mit zeitgenössischem Tanz, bildender Kunst oder auch Performancekunst.
Die Gemeinsamkeiten sind auf jeden Fall, dass die Techniken ursprünglich aus dem klassischen Zirkusbereich kommen. Sie sind aber komplett dekonstruiert und neu angewandt. Um ein Beispiel zu geben: Dieses Jahr hat eine Künstlerin, eine ausgebildete Trapezkünstlerin, ihr Objekt, also das Trapez, komplett neu gedacht. In ihrem Stück sieht man nicht mehr dieses klassische Trapez, wie man es vielleicht noch aus dem Familienzirkus kennt, sondern eine von ihr gebaute Skulptur. Sie ist sehr in die bildende Kunst eingetaucht und hat neue Zugänge zu ihrem Objekt und zur Zirkuskunst gefunden.
Wie bekommt ihr die Magie des Zirkus, mit großem Zelt und Popcorn, in ein anderes Gebäude?
Wir versuchen natürlich, dass der Zirkus irgendwo sichtbar ist. Das ist ja auch das Schöne, diese Zugänglichkeit – alle Menschen verbinden irgendetwas mit Zirkus. Also diese Bilder, die sofort aufpoppen im Kopf. Und ich glaube dadurch, dass viele Menschen diese klassischen Techniken auch kennen, ist da irgendwo ein Interesse. Aber sie sind halt nochmal komplett neu gedacht und in einen neuen Kontext gesetzt.
ON THE EDGE 2024 – wo anfangen?
Ein persönliches Highlight ist auf jeden Fall das angesprochene Stück mit der Trapez-Künstlerin aus Tschechien, Eliška Brtnická. Es ist wirklich ein gutes Beispiel für diesen ganz neuen Zugang zu Zirkuskunst, weil sie ihre eigene Technik, Luftakrobatik, mit Tanz, ein bisschen Performancekunst und mit bildender Kunst kombiniert. Dieses Stück ist für mich ein gutes Beispiel dafür, was Zirkus eigentlich kann, wo das Potential ist. Gleichzeitig ist man aber auch nicht mehr so sicher: Ist es noch Zirkus, oder ist es Performance? Und genau das finde ich spannend.
Wir haben insgesamt acht Spieltage mit neun Performances aus sechs verschiedenen Ländern und es gibt diverse Zugänge zu sehen zu neuer zeitgenössischer Zirkuskunst. Ich glaube, es wird spannend.